Geschäftsnummer                                                                Verkündet am: 29.03 .2001

4 E 12/97(3)                                                (Siegel)                          Kahn                                  

                                                                                            Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

V E R W A L T U N G S G E R I C H T   D A R M S T A D T

(Textpassagen in rot von UWIGA hervorgehoben, Inhalt unverändert)

 

 

I M  N A M E N  D E S  V O L K E S !

U R T E I L

 

 

In dem Verwaltungsstreitverfahren

Roger-Dietrich Metz,

Brucknerstraße 7, 64291 Darmstadt,

Kläger,

Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte Karl Weidmann und Partner,

Bahnhofstraße 50, 65185 Wiesbaden,

Gz.:    - Pr-Nr. 90-1660/95 schl/sh -‚

 

g e g e n

 

Stadt Darmstadt, vertreten durch den Magistrat,

Luisenplatz 5 A, 64283 Darmstadt,

Gz.: - 30 Ne/schä -‚

Beklagte,

Beigeladen:

Südhessische Gas und Wasser AG,

vertreten durch den Vorstand,

Frankfurter Straße 100, 64293 Darmstadt,

Gz.: - HA 200 -‚

 

w e g e n

 

Kanalbenutzungsgebühren

 

 

 

 

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hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt durch

 

    Vors. Richterin am VG Klingspor

    als Vorsitzende

 

    Richterin am VG Osypka-Gandras

    Richter am VG Schecker

    als beisitzende Richter

 

    Frau Piscopia          

    Frau Polster

    als ehrenamtliche Richterinnen

 

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2001 für Recht erkannt:

 

 

Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1995, geändert durch Bescheid vom 9. Februar 1996, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezem­ber 1996 wird aufgehoben.

 

Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen.

 

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitslei­stung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

 

T A T B E S T A N D

 

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Kanalbenutzungsgebühren durch die Beklagte von 7,15 DM (bis zum 31. Dezember 1994) auf 8,20 DM (ab 1. Januar 1995).

 

Durch Vertrag vom 22./24. Dezember 1988 übertrug die Beklagte der Beigeladenen, die in dieser

Zeit auf den Geschäftsfeldern Gas-, Wasser- und Wärmeversorgung tätig und an der die Beklagte

 

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bis zum Jahr 2000 mit mehr als 60% der Anteile beteiligt gewesen ist, die Abwasserreinigung im Stadtgebiet der Beklagten zum 1. Januar 1989. Neben technischen Bestimmungen enthält dieser Vertrag Regelungen über den Erwerb der städtischen Kläranlagen, die Leistungen und Pflichten der Vertragspartner sowie die Vergütung. In einer weiteren Vereinbarung vom 29. Januar/26. Februar 1996 („Durchführungsvereinbarung“) werden u.a. die Vergütungsbestimmungen modi-fiziert und die rückwirkende zeitliche Abwicklung festgelegt. Insbesondere ist dort bestimmt, daß die Beklagte der Beigeladenen „auf Nachweis die zur Erfüllung der vertraglichen Ver-pflichtungen angefallenen Selbstkosten... (Selbstkostenerstattungspreis)“ ersetzt.

 

Der Kläger ist Eigentümer eines im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks. Durch Bescheid vom 27. Juni 1995, 5.0250.00158.2, zog ihn die Beklagte zu nachberechneten Kanal­benutzungsgebühren für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 18. Januar 1995 heran. Die Nachforde­rung bezieht sich abzüglich bereits gezahlter Gebühren lediglich auf die in der Zeit vom 1. bis 18. Januar 1995 zugrunde gelegte Frischwassermenge von 3 m3, die — mit dem ab Januar 1995 erhöhten Kubikmeterpreis von 8,90 DM multipliziert - den Nachforderungsbetrag von 5,25 DM ergibt. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten durch Beschluß vom 18. Ja-nuar 1996 die Kanalbenutzungsgebühr ab dem Jahr 1995 auf 8,20 DM je Kubikmeter reduziert hatte, erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 9. Februar 1996 einen „Kanalbenutzungsge­bührenbescheid - Rückerstattung“, der aufgrund der Gebührenreduzierung eine Überzahlung von 2,10 DM ausweist und die Überweisung dieses Betrages auf ein Konto des Klägers ankündigt.

 

Mit Schreiben vom 28. Juli 1995 erhob der Kläger gegen den Gebührenbescheid vom 27. .Juni 1995 insoweit Widerspruch, als darin die Abwassergebühr rückwirkend zum 1. Januar 1995 auf

8,90 DM je Kubikmeter Frischwasser erhöht wurde. Er begründete dies zunächst mit Pressebe­richten, wonach in der Gebührenkalkulation der Beklagten unberechtigte Kostenansätze enthal­ten seien. Durch Bevollmächtigtenschriftsatz vom 8. Januar 1996 ließ der Kläger seinen Wider-spruch weiter ergänzen und vertiefen.

 

Nachdem der Widerspruchsausschuß der Beklagten am 16. September 1996 empfohlen hatte, dem Widerspruch abzuhelfen, wies die Beklagte den Widerspruch durch Bescheid vom 3. De­zember 1996, 30 Ne/, als unbegründet zurück. Der Kläger sei vielmehr verpflichtet, unter Zu­grundelegung des angefochtenen sowie des korrigierenden Bescheids vom 9. Februar 1996 und schließlich der bereits gezahlten Gebühren noch 3,15 DM nachzuzahlen. Zur Begründung stützte sich die Beklagte auf den nach ihrer Auffassung formell wie materiell rechtmäßigen Gebühren-

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bescheid und setzte sich im Widerspruchsbescheid mit den einzelnen Rügepunkten des Klägers auseinander. Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 12. Dezember 1996 zugestellt.

 

Mit seiner Klage vom 3. Januar 1997 wendet sich der Kläger weiter gegen die Gebührenerhö-hung ab Januar 1995. Zur Begründung stützt er sich auf sein bisheriges Vorbringen im Verwal-tungsverfahren, das er ergänzt und vertieft. Im wesentlichen greift der Kläger folgende Punkte an:

1.     Die Übertragung der Abwasserreinigung auf die Beigeladene bedeute keine Aufgabenüber-

tragung, sondern nur die Betrauung mit der technischen Abwicklung. Die „Abwasserreini-gung“ bleibe weiter eine hoheitliche Aufgabe der Beklagten, und für die öffentliche Einrich-tung würden auch die allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsätze gelten. Hierzu gehörten unter anderem die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Preis-, Akteneinsichts- und Verga-berechts. Da die Beklagte und die Beigeladene hierzu nicht alle erforderlichen Informationen bereitgestellt hätten, bestünden Zweifel daran, ob diese Vorschriften eingehalten seien.

2.   Dadurch, daß die Beklagte der Beigeladenen beim Aus- und Umbau der baulichen Anlagen weitgehend freie Hand gelassen habe, seien ungerechtfertigt hohe Investitionskosten entstan-den und in die Gebührenkalkulation eingeflossen. Die übrigen am Verfahren Beteiligten könnten keine plausible und letztlich zutreffende Begründung für diese erhöhten Kosten lie-fern.

3.   u. 4. Sowohl die Beigeladene sei rechtlich verpflichtet gewesen, die Baumaßnahmen auszu-schreiben, als auch die Beklagte sei von Rechts wegen gehalten gewesen, die Leistung „Bau und Betrieb von Klärwerkseinrichtungen“ auszuschreiben. Beides sei nicht erfolgt, was zu überhöhten Gebühren geführt habe.

5.   Entgegen der Auffassung der Beklagten im Widerspruchsbescheid sei bei der Veräußerung der Kläreinrichtungen ein zu niedriger Verkaufspreis ermittelt und schließlich vereinbart worden. Auch hier wirke sich die unterlassene Ausschreibung letztlich gebührenerhöhend aus.

6.     Der Verkaufserlös aus den Kläreinrichtungen sei nicht insgesamt zeitnah dem Gebühren-haushalt gutgeschrieben worden. Zwar habe ihn die Beklagte 1989 in die Gebührenaus-gleichsrücklage eingestellt, in diesem Jahr aber nur teilweise und erst 1991 mit dem Restbetrag verwendet. Völlig unterlassen habe es die Beklagte in diesem Zusammenhang, Zinserträge aus dem nicht verbrauchten Teil der Gebührenausgleichsrücklage in die Kalkulation einzustellen. Eine Zinsgutschrift hätte auch dann erfolgen müssen, falls diese Rücklage nur buchmäßig geführt worden wäre.

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7.   Die seit 1989 in der Gebührenkalkulation berücksichtigten Bauzeitzinsen seien erst mit Be­ginn der Nutzung des Bauwerks umlagefähig. Daher habe, die Beigeladene der Beklagten Bauzeitzinsen für die Zeit von 1989 bis 1994 im Jahr 1995 zurückgezahlt. Abgesehen davon, daß dies keinen nachvollziehbaren Niederschlag in der Gebührenbedarfsberechnung gefun­den habe, vermisse der Kläger die - gebührenmindernde - Berücksichtigung der auf die Bau­zeitzinsen entfallenen Zinsen für die zurückgehaltenen Erstattungsbeträge. Diese seien dem Gebührenhaushalt gutzuschreiben.

8.   Die Beklagte habe durch Nichterhebung von Beiträgen ihren großen Ermessensspielraum zur Frage überschritten, ob sie die bedeutenden Investitionen im Klärbereich nur über Gebühren, nur über Beiträge oder über einen Mischmaßstab finanzieren wolle.

9.   Der Kläger rügt die fehlende Transparenz der spezifischen Klärwerkskosten im Aufgaben-verbund der Beigeladenen. Da die Beigeladene sich weigere, eine Preisprüfung durch das Regierungspräsidium zuzulassen, könnten die von ihr hierzu gemachten Angaben - letztlich auch vom Kläger - nicht überprüft werden.

10. u. 11. Die Beklagte habe verschiedene Einzelpositionen fehlerhaft in ihre Gebührenbedarfs-berechnung eingestellt. Der Kläger kritisiert in diesem Zusammenhang, daß die Beklagte verschiedene Ausschüttungen der Beigeladenen nicht gebührenmindernd in ihre Kalkulation eingebracht habe. Mit der Bildung von Rückstellungen könne dies nicht zufriedenstellend erklärt werden.

12. Auch für die erst im Jahr 1996 rückerstattete Körperschaftssteuer hätten hierauf rechnerisch entfallende Zinsen dem Gebührenzahler gutgeschrieben werden müssen.

13. u. 14. Im Hinblick auf die Verzinsung des Eigenkapitals und den Abschreibungssatz habe die Beklagte ihre Berechnung zwar geändert; die Korrektur und Reduzierung des Gebührensat­zes von 8,90 DM auf 8,20 DM pro Kubikmeter sei allerdings nicht ausreichend.

15. Sowohl die ursprünglich in Ansatz gebrachte als auch die nachträglich ausgehandelte Höhe der Gemeinkostenzuschläge sei nicht gerechtfertigt. Die Vereinbarung eines Fixbetrages sei deswegen nicht nachvollziehbar, weil die Kostenstruktur der Beigeladenen in ihren einzelnen Abteilungen genau bekannt sein dürfte. Der Gemeinkostenzuschlag sei daher zu berechnen oder die Höhe der Pauschale (4 Millionen DM) sei hinreichend zu erklären. Entgegen der Darstellung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, daß die rückwirkend vereinbarte Pan­schale zur rückwirkenden Neuberechnung der Kostenanteile in der Gebührenbedarfsberech­nung geführt habe. Im übrigen sei der Pauschalbetrag um mindestens eine Million DM zu hoch, was sich aus den Beratungen des sogenannten Akteneinsichtsausschusses der Beklag­

 

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ten ergebe. Auch dürfe weder ein Risikozuschlag während der Bauzeit berechnet noch dieser mit der Rückzahlung der Körperschaftssteuer verrechnet werden.

16. Die Aufteilung der Investitionskosten zwischen Einrichtungen, die sowohl für den Klär­werksbereich als auch für andere Betriebszweige der Beigeladenen genutzt werden, werde bestritten. Die Schlammtrocknung sei ferner überdimensioniert ausgelegt. Die über die für die öffentliche Einrichtung der Beklagten hinaus errichtete Kapazität dürfe kostenmäßig nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt werden. Es seien zwar Kapazitätsreserven in gewissem Umfang für Störfälle wie auch als Planungsreserve zulässig. Dieses Maß sei im Fall der Darmstädter Anlage allerdings überschritten, was sich auch daran zeige, daß dort auch Klärschlämme aus anderen Klärwerken mit getrocknet werden sollten.

17. Die Beklagte habe fehlerhaft den Frischwassermaßstab bei der Veranlagung zu Kanalbenut­zungsgebühren herangezogen. Dieser Veranlagungsmaßstab sei zwar für normal gelagerte Verhältnisse, für eine homogene Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur, anerkannt. Im Gebiet der Beklagten bestünden diese Verhältnisse aber nicht. In Darmstadt gebe es insbesondere keine ausgeglichene Stadtstruktur mit entsprechend typischem Grad der Versiegelung. Dies habe die Beklagte bereits im Mai 1995 veranlaßt, alle versiegelten Flächen zu erfassen, um den Versiegelungsmaßstab in die Satzung über die Entwässerungsgebühren einzubeziehen. Dies sei jedoch bis zum heutigen Tag gestoppt. Des weiteren seien die Darmstädter Verhält­nisse geprägt durch die Einleitung erheblicher Wassermengen aus Hausdrainagen und aus verschiedenen Oberflächengewässern. Schließlich gebe die Beklagte ihren städtischen Anteil befestigter öffentlicher Flächen mit 10,4 % bzw. jetzt 12 % an, ohne daß dem Kläger dies belegt werde. Die vorliegenden Gebührenbedarfsberechnungen seien insoweit nicht ohne weiteres nachvollziehbar und enthielten Unklarheiten.

18. Die Beklagte habe zu Unrecht einen Wagniszuschlag in die Gebührenbedarfsberechnung eingestellt. Dieser sei zwar im Grundsatz zulässig, aber im hier gegebenen Fall, in dem die Beklagte der Beigeladenen gegenüber verpflichtet sei, alle Kosten der Abwasserreinigung zu erstatten, nicht akzeptabel. Insoweit sei überhaupt kein Wagnis vorhanden. Dementsprechend seien die Gemeinkosten um diesen Aufschlag für Unternehmerwagnis zu reduzieren.

19. Wie unter Nr. 17 dargelegt, bestünden Diskrepanzen in den Wassermengen. Die sogenannten „Fremdmengen“ aus den Bächen sowie das Grundwasser müßten hier berücksichtigt werden. Auch der Eigenanteil der Beklagten sei zu niedrig angesetzt. Schließlich sei das Gutachten der Technischen Hochschule Darmstadt aus dem Jahr 1987 zu überprüfen, das die Kosten der Reinigung der Niederschlagsmengen zu gering veranschlage.

 

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Der Kläger beantragt,

 

den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1995, geändert durch Bescheid vorn 9. Fe­bruar 1996, in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 3. De­zember 1996 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte tritt dem klägerischen Vortrag unter Vertiefung und Ergänzung der Begründung ih-res Widerspruchsbescheides im wesentlichen wie folgt entgegen:

zu 1.   Die rechtlich zulässige Übertragung der Abwasserreinigung auf die Beigeladenen habe

zu keinen unzulässig höheren Abwassergebühren geführt. Mit diesem Punkt setz~ sich auch der Widerspruchsbescheid eingehend auseinander.

zu 2. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Klärwerkseinrichtung nicht überdimensio­niert. Insbesondere ließen sich die entsprechenden Behauptungen des Klägers nicht aus den vorliegenden Zahlen des Zahlenspiegels und den Planungswerten entnehmen. Hierbei sei

insbesondere zu beachten, daß zulässigerweise eingestellte Planungsreserven und die Tat-

sache, daß über einen überschaubaren Zeitraum kein weiterer Investitionsbedarf bestehe,

nicht zwingend auf eine Überdimensionierung oder Fehlkalkulation hinweisen würden.

zu 6. Ergänzend zum Widerspruchsbescheid sei darauf hinzuweisen, daß der Veräußerungs­gewinn im Rechnungsergebnis 1989 ausgewiesen und demnach dem Gebührenhaushalt zu­geführt worden sei. Soweit er mit einem ganz geringen Betrag nicht zur Abdeckung des Fehlbetrages in 1989 Verwendung gefunden habe, sei er der Gebührenausgleichsrücklage zugeführt worden. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß die Gebühren­rücklage als Termingeld zinsbringend angelegt gewesen sei, was in die Gebührenkalkulati­on gebührenmindernd eingeflossen sei..

zu 7. Entgegen der Behauptung des Klägers ergebe sich aus der Gebührenbedarfsberechnung

der Jahre 1995 bis 1997, daß die erstatteten Bauzeitzinsen in diese Kalkulationen einge­rechnet worden seien.

zu 8. Die Beklagte habe ihr Ermessen dahingehend, ob sie über Beiträge oder Gebühren fi­nanziere, fehlerfrei ausgeübt.

zu 11. In Ergänzung zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid sei darauf hinzuweisen,

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daß die „Sonderausschüttung“ der Beigeladenen dieser im Wege einer Kapitalerhöhung wieder zugute gekommen sei. Ob allerdings diese „Sonderausschüttung“ wie auch (son­stige) „Ausschüttungen“ aus dem Geschäftszweig „Abwasserbeseitigung“ der Beigelade­nen stamme, könne nicht die Beklagte, sondern vielmehr nur die Beigeladene beantwor­ten.

zu 14.  Klarstellend sei noch einmal darauf hinzuweisen, daß in der Gebührenbedarfsberechnung

nicht auf den Wiederbeschaffungswert, sondern auf den Anschaffungswert abgeschrieben

worden sei. Dieser Umstand habe nicht zu der Gebührensenkung von 8,90 DM auf

8,20 DM je Kubikmeter geführt, sondern dazu, daß der ursprüngliche Satz nicht auf

9,30 DM pro Kubikmeter gestiegen sei.

zu 15.  Entgegen den Einlassungen des Klägers sei festzuhalten, daß in Folge der Rückrech-

nung der Verwaltungs- und Gemeinkosten und insbesondere der Umstellung auf die „LSP-Regeln“ ein Erstattungsbetrag in Höhe von ungefähr 1,9 Millionen DM der Gebüh-renausgleichsrücklage zugeführt worden sei.

zu 16.  Nach detaillierten Angaben der Beigeladenen, an der die Beklagte keinerlei Zweifel

habe, würden die Investitions- und Folgekosten für die Betriebsgebäude des Zentralklär-werks entsprechend ihrer Nutzungsanteile für die Abteilung „Abwasserbeseitigung“in die Gebührenberechnung eingestellt. Die nicht für diesen Bereich genutzten Räumlichkeiten würden entsprechend nicht in die Abwasserkalkulation eingestellt. Im Hinblick auf den Vorwurf der Überdimensionierung verwechsele der Kläger diesen Begriff mit den erfor-derlichen und zulässigen Leistungsreserven. Sowohl im Hinblick auf technische Störun-gen als auch vorausschauende Planungen sei es erforderlich, diese Leistungsreserven vor-zuhalten, die deswegen auch in die Gebührenkalkulation einfließen dürften.

zu 17.  und 19. Nach wie vor sei davon auszugehen, daß auch für das Stadtgebiet der Beklagten

eine ungefähr gleichbleibende Relation bestehe zwischen dem von den Grundstücken ein-geleiteten Schmutz- und dem Niederschlagwasser. Der Kläger sei darauf hinzuweisen, daß die Einleitung von Grundwasser über Hausdrainagen gebührenpflichtig sei. Hierüber würden auch Gebührenbescheide gefertigt.

Schließlich sei der von der Beklagten im Jahr 1985 ermittelte Eigenanteil an den Kosten der Abwasserbeseitigung in Höhe von 10,4 % zutreffend auf der Grundlage des Anteils der Regenwasserbeseitigung der öffentlichen Verkehrsflächen an den gesamten Abwas-sermengen ermittelt. In diesem Zusammenhang sei auch auf das von der Technischen Hochschule Darmstadt im Jahr 1987 erstellte Gutachten über die Kostenermittlung der Niederschlagwasserbeseitigung hinzuweisen, das zu dem Ergebnis gekommen sei, der

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Kostenanteil der Niederschlagwasserbeseitigung, gemessen an den Gesamtkosten, betrage rund 14 %. Die Neuberechnung und Festsetzung des städtischen Eigenanteils sei dann mit der Bedarfsberechnung für die Jahre 1995 bis 1997 erfolgt.

 

Die mit Kammerbeschluß vom 25. Februar 1997 Beigeladene beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie ergänzt und vertieft das Vorbringen der Beklagten, das sie mitträgt und stützt.

 

Mit Beschlüssen vom 4. Februar 1997 und 1. Dezember 1999 ist jeweils festgestellt worden, daß die damaligen Kammervorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit von der Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen sind.

 

Mit Auflagenbeschluß vom 23. Dezember 1999 hat die Kammer der Beklagten und der Beigela­denen aufgegeben, verschiedene der Gebührenkalkulation zugrundeliegende Berechnungen und Kalkulationsbestandteile für die Abrechnungsjahre 1995 bis 1997 ebenso vorzulegen wie Ge­nehmigungsunterlagen für die Erweiterung des Klärwerks Mainzer Straße und die Erweiterung des Zentralklärwerks.

 

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt und dem Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten mit zahl- und umfangreichen Unterlagen, die die Beteiligten zur Stüt-zung ihres Sachvortrags und in Erfüllung des Auflagenbeschlusses vom 23. Dezember 1999 bei -gebracht haben, ebenso Bezug genommen wie auf die zumeist in Kopie vorgelegten Akten der Beklagten (8 Hefter) sowie die 8 von der Beigeladenen vorgelegten Ordner mit Bau- und Kal-kulationsunterlagen. Diese sind sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung am 29. März 2001 gewesen. Dabei hat das Gericht diese Klage gemeinsam mit den Verfahren 4 E 970/92(3), 4 E 1131/92(3) und 4 E 2445/96(3) verhandelt.

 

 

 

 

 

 

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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

 

 

Die Klage ist zulässig, insbesondere statthaft als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO. Mit ihr begehrt der Kläger die Aufhebung des Gebührenbescheides vom 27. Juni 1995 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 9. Februar 1996. Bereits im Widerspruchsverfahren hatte sich der ursprünglich mit Bescheid aus 1995 nachgeforderte Gebührenbetrag infolge des genannten Än­derungsbescheides aus 1996 vermindert, so daß Gegenstand der erhobenen Klage der ursprüngli­che Gebührenbescheid lediglich in der Höhe eines Gebührenrestes von 3,15 DM ist.

 

Die Anfechtungsklage ist auch begründet.

Der streitgegenständliche Gebührenbescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den

Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

 

In formeller Hinsicht bestehen gegen den streitgegenständlichen Bescheid keine rechtlichen Be­denken. Insbesondere ist letztlich nicht zu beanstanden, daß der Bescheiderteilung durch die Be­klagte (privatrechtliche) Rechnungen der Beigeladenen an den Kläger und die übrigen Nutzer der

öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ der Beklagten bis etwa 1995 vorausgegangen waren. Nach Auffassung der Kammer ist diese besondere Form der Anforderung von Abwasser-gebühren durch die Beigeladene im Auftrag der Beklagten kein Indiz oder gar Beleg dafür, daß die Beklagte die öffentliche Aufgabe „Abwasserbeseitigung“ der Beigeladenen völlig übertragen haben könnte, wie dies der Kläger andeutet. Diese einem Inkasso vergleichbare Praxis diente nach den insoweit plausiblen und glaubhaften Bekundungen der Beigeladenen und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung der Vereinfachung und Beschleunigung des Abrechnungsverfah-rens, zumal die Beigeladene dem Kläger und ihren übrigen Kunden ohnehin Rechnungen für den Bezug von Trinkwasser und zum Teil auch Gas zuschicken mußte. In diesen Rechnungen waren dann im Einzelfall - bis zur Umstellung des Abrechnungsverfahrens etwa im Jahr 1995  - auch die Entgelte für die Abwasserbeseitigung enthalten, die wiederum an die Beklagte abgeführt wurden.

Beleg für die öffentlich-rechtliche Gebührenerhebung der Beklagten im Hinblick auf die Benut-zung der öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ ist der Umstand, daß die Beigeladene in den Fällen, in denen sich die Nutzer der öffentlichen Einrichtung gegen die zunächst ver­schickten (privatrechtlichen) Rechnungen wandten, den Vorgang der Beklagten zuleitete, die

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ihrerseits dann Gebührenbescheide erließ und für den Fall, daß hiergegen Widerspruch erhoben

wurde, auch das Widerspruchsverfahren - so wie in dem hier zu beurteilenden Fall - durchführ-

te.

 

Auch im übrigen ist der streitgegenständliche Bescheid in formeller Hinsicht nicht zu beanstan­den.

Nach § 10 Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG) können unter anderem die Gemeinden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme ihrer öffentlichen Einrichtungen Benut­zungsgebühren erheben, wofür nach § 2 Satz 1 KAG grundsätzlich eine hierauf gerichtete kom­munale Satzung erforderlich ist, die nach Satz 2 dieser Rechtsvorschrift den Kreis der Abgaben­pflichtigen, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt der Entstehung und der Fälligkeit der Schuld bestimmen. Bezogen auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt hat die Beklagte diese gesetzlichen Anforderungen an eine Abgabensatzung erfüllt.

Dem Gebührenbescheid ist außerdem hinreichend deutlich zu entnehmen, welche Gebühren die Beklagte vom Kläger für den Zeitraum ab 1. Januar 1995 aufgrund einer Erhöhung der Einheits­gebühr für Abwasser von 7,15 DM pro Kubikmeter auf 8,90 DM pro Kubikmeter, später redu­ziert auf 8,20 DM pro Kubikmeter, verlangt. Diese Nachforderung beträgt unter Berücksichti­gung des Änderungsbescheids vom 9. Februar 1996 insgesamt 3,15 DM.

 

Dieser Gebührennachforderung mangelt es allerdings an der erforderlichen wirksamen Ermäch­tigungsgrundlage. Entgegen ihrer Auffassung kann sich die Beklagte bei ihrer Gebührennachfor­derung nicht stützen auf das Gesetz über kommunale Abgaben (KAG) in Verbindung mit ihrer Satzung über die Entwässerung der Grundstücke in der Stadt Darmstadt (EWS) vom 18. Juli 1972 in der Fassung vom 19. Januar 1996. Die hier streitige Gebührenerhebung ist wegen Ver­stoßes gegen gesetzlich normierte Grundsätze des Benutzungsgebührenrechts rechtswidrig (vgl. unten zu 1.), beruht auf einer systematisch fehlerhaften Gebührenkalkulation (2.) und begegnet im Hinblick auf verschiedene in die Gebührenberechnung eingestellte Kostenpositionen deutli­chen rechtlichen Bedenken (3.).

 

1.   Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte es im Ergebnis nicht zu beanstanden sein, daß

die Investitionskosten für den Umbau der - früher städtischen, heute im Eigentum der Beigela­denen stehenden - Klärwerke nicht über Beiträge, sondern über Benutzungsgebühren abgelastet wurden. Zwar schreibt § 34 Abs. 2 EWS vor, daß die „Kosten für die Herstellung (Schaffung,

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Erweiterung und Erneuerung) der Entwässerungsanlagen ... durch Beiträge gedeckt“. werden. Unabhängig davon, ob es im hier maßgeblichen Kalkulationszeitraum einen satzungsmäßig fest­gelegten, hierfür geeigneten Beitragsmaßstab gegeben hat, ist schon fraglich, ob die im Eigentum der Beigeladenen stehenden und von ihr betriebenen Klärwerke als Entwässerungsanlagen i. S.

d. Satzungsbestimmung anzusehen sind. Eindeutig oder gar rechtlich zwingend erscheint diese Auslegung nicht.

Ein weiterer Umstand spricht gegen die Annahme, daß die von der Beigeladenen aufgewendeten Investitionskosten nach § 34 Abs. 2 EWS zwingend über Beiträge abzurechnen sind: Nach dem zwischen Beklagter und Beigeladener vertraglich vereinbarten Modell der Abwasserreinigung wird der Aufwand für Neu- und Umbau der Klärwerkseinrichtungen nicht direkt abgerechnet und in den Gebührenhaushalt der Beklagten eingestellt. Vielmehr fließen diese Aufwendungen als kalkulatorischer Kostenbestandteil (Abschreibung und Verzinsung) entsprechend der Nut­zungsdauer dieser Anlagen in die für die Abwasserreinigung an die Beigeladene zu zahlende „Erstattung ... für Betriebskosten Kläranlagen“ein. Dieser Frage brauchte allerdings, im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen nicht weiter nachgegangen zu werden.

 

Die hier von der Kammer zu beurteilende Erhebung von Abwassergebühren durch die Beklagte verstößt gegen den Grundsatz der Gebührengerechtigkeit, der eine besondere Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG auf dem Gebiet des Benutzungsgebührenrechts darstellt. Dieses Prinzip gebietet es, Gleiches gleich aber auch Ungleiches seiner besonderen Eigenart ent­sprechend verschieden zu behandeln (BVerwG, St. Rspr.: u. a. Beschl. v. 28. März 1995, NVwZ­RR 1995, 594 m. w. N.; Hess. VGH, Beschl. v. 15. April 1977, KStZ 1979, 13). Nach den hier-zu vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und Lehre ist dem kommunalen Satzungsgeber auch unter dem Gebot des Gleichheitsgrundsatzes eine weitgehende Gestaltungsfreiheit einge­räumt. Rechtlich erforderlich ist dabei nicht, daß er im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftig­ste oder gerechteste Art der Gebührenerhebung statuiert; das Gleichbehandlungsprinzip verbietet es lediglich, im wesentlichen gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich zu behandeln. Unter die­ser Auslegung des Gleichheitssatzes als einem Willkürverbot bleibt dem Satzungsgeber ein wei­ter Gestaltungsrahmen, der vom Gericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob die äußersten

rechtlichen Grenzen eingehalten sind. So darf er im Abgabenrecht insbesondere zu Gunsten hö­herer Verwaltungspraktikabilität abgabenrechtlich bedeutsame Tatbestände verallgemeinern und pauschalieren. Der hiermit beschriebene Begriff der Typengerechtigkeit läßt es zu, bei der Abga­benerhebung an die typischen, die Regelfälle eines Bereichs anzuknüpfen und die eher atypi­schen Einzelfülle dabei außer Betracht zu lassen. Diese Typisierung findet allerdings insbesonde­-

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re dort ihre rechtliche Grenze, wo die mit der Typisierung notwendigerweise verbundene Un­gleichheit der Belastung dazu führt, daß nicht nur vereinzelte, sondern Abgabenschuldner grup­pen- oder reihenweise im Vergleich zu anderen stärker belastet werden (vgl. insgesamt: Dahmen in Driehaus, Kommunalabgabenrecht — Stand: September 2000 -‚ Rdnr. 78 ff. zu § 4 m. w. N.).

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Grenze der rechtlich noch zulässigen Typisierung in aller Regel dann eingehalten, wenn nicht mehr als 10 vom Hundert der von, der

jeweiligen Regelung betroffenen Fälle dem angenommenen Typus widersprechen (BVerwG, B. v. 19. September 1983, BVerwGE 68, 36). Die erkennende Kammer folgt dieser Grenzziehung in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Urt. v. 14. Juli 1992, KStZ 1993, 16).

Nach dem bisher Gesagten ist der kommunale Satzungsgeber damit aufgrund des Gleichheitssat­zes verpflichtet, die Typengerechtigkeit, insbesondere die gewählte Maßstabsregelung zu modi­fizieren und zu differenzieren, wenn die dargelegte Zulässigkeitsgrenze überschritten ist.

 

Diesem rechtlichen Gebot ist die Beklagte bei der Festlegung des der Abwassergebühr zugrunde gelegten Maßstabes nicht nachgekommen. Nach § 44 Abs. 1 EWS bemißt sich die laufende Be­nutzungsgebühr nach der Abwassermenge, die auf dem angeschlossenen Grundstück regelmäßig anfällt und die nach der Fiktion des §. 44 Abs. 2 EWS der Wassermenge entspricht, die dem Grundstück aus öffentlichen oder privaten Wasserversorgungsanlagen zugeführt wird. Der von der Beklagten hiermit gewählte sogenannte Frischwassermaßstab bei der Bemessung der Abwas­sergebühren stellt sich als sogenannter Wahrscheinlichkeitsmaßstab dar. Dieser ist grundsätzlich rechtlich zulässig, solange er dem - grundsätzlich vorzuziehenden - Wirklichkeitsmaßstab des-wegen möglichst nahe kommt, weil die dem Grundstück zugeführte Wassermenge in etwa auch wieder als Abwasser abfließt. Unter dieser Prämisse - aber auch nur dann - stellt sich der Frischwassermaßstab nach gegenwärtiger Betrachtungsweise als der gerechteste und. damit rechtlich sicherste Maßstab dar (vgl. Schulte in Driehaus, a. a. O., Rdnr. 357 zu§ 6 m. w. N.).

 

Der Frischwassermaßstab, der die Abwassergebühr nach der Menge des bezogenen Frischwas­sers bemißt, läßt diejenigen in das Kanalisationsnetz eingeleiteten Abwassermengen völlig unbe­rücksichtigt, die als Niederschlagwasser auf dem jeweiligen Grundstück anfallen und in die öf­fentliche Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ abgeleitet werden. Dies dürfte so lange rechtlich zulässig und vertretbar (gewesen) sein, wie die Kosten der Abwasserbeseitigung, die über die Gebühren auf die Nutzer der Einrichtung abgelastet werden, fast ausschließlich aus der Beseiti­gung des auf den Grundstücken anfallenden Schmutzwassers herrührten. Mit anderen Worten: die Mengen des eingeleiteten Niederschlagwassers konnten und können nur so lange unberück­

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sichtigt bleiben, wie sie im Vergleich zu den Kosten für die Schmutzwasserbeseitigung nicht ins Gewicht fielen. In diesem Zusammenhang sind Fallkonstellationen - zumeist aus der Vergan­genheit - anzuführen, bei denen die bezogene Frischwassermenge deswegen einen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluß auf die zu beseitigende Menge Abwassers beispielsweise deshalb zugelassen hat, weil das Niederschlagwasser in einem ländlich strukturierten Gebiet mit einer Dachflächenentwässerung, die nicht an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen war, und mit ei­nem äußerst geringen Grad von Bodenversiegelung im wesentlichen in der Erde versickerte.

 

Im übrigen berücksichtigt die alleinige Bemessung der Abwassergebühr nach der Menge des be­zogenen Frischwassers u. U. nicht mehr hinreichend die in den zurückliegenden Jahren enorm angestiegenen Kosten zur Beseitigung des Niederschlagwassers und die allgemeine Zunahme der versiegelten Flächen. In diesem Zusammenhang bewertet es das Gericht als allgemein bekannt, daß die Kommunen landauf, landab deutlich höhere Kosten auch deswegen aufzuwenden. haben, um die gestiegenen Mengen des eingeleiteten Niederschlagwassers ordnungsgemäß zu beseiti­gen. In diesem Zusammenhang seien nur die für die Schmutzwasserbeseitigung nicht oder nicht in dem verwirklichten Umfang errichteten Regenrückhaltebecken, Regenüberlaufbauwerke, Re­gensammler u. s. w. erwähnt. Es kommt hinzu, daß nach allgemeiner Beurteilung auch eine pro­zentual gleiche oder ähnliche Flächenversiegelung auf den Grundstücken angesichts gering ver­siegelter Wohngrundstücke einerseits und stark versiegelter Gewerbeflächen andererseits mit je­weils relativ verschiedenem Frischwasserverbrauch in der Regel kaum noch innerhalb eines Ab­rechnungsgebiets angenommen werden kann - und dies selbst bei kleineren Kommunen außer­halb der Ballungsräume (vgl. VG Aachen, Urt. v. 1. September 1995, NVwZ-RR 1996, 702; Rösch, Hessisches Kommunalabgabengesetz, 3. Auflage 1997, Rdnr. 15 a. E. zu § 10).

 

Unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Beteiligten und insbesondere nach Durchführung der mündlichen Verhandlung ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß der Frischwassermaßstab aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im Stadtgebiet der Beklagten kein hinreichend zuverlässiger und rechtlich abgesicherter alleiniger Maßstab für die Bemessung der Abwassergebühren darstellt. Für die Kammer waren in diesem Zusammenhang die beiden fol­genden Aspekte maßgebend:

a)   Zum einen ist die Kammer aufgrund der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse zu der

Überzeugung gelangt, daß die Kosten für die Beseitigung des Niederschlagwassers im Stadt-gebiet der Beklagten nicht (mehr) derart gering und dementsprechend vernachlässigbar sind, daß die Bemessung der Abwassergebühren allein bezogen auf den Frischwassermaßstab

 

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rechtlich zulässig wäre. Vielmehr macht der Kostenanteil zur ordnungsgemäßen Beseitigung des Niederschlagwassers an den gesamten Abwasserbeseitigungskosten bei der Beklagten ei­nen deutlich ins Gewicht fallenden, nicht mehr außer acht zu lassenden Anteil aus. Bei der Beurteilung der Frage, ab welcher Größenordnung der genannte Kostenanteil nicht mehr nur geringfügig ist, orientierte sich das Gericht an der von der - mittlerweile gefestigten - Recht-sprechung entwickelten 12-%-Grenze. Geringfügigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn der Kostenanteil der Niederschlagwasserableitung an den der Gebührenkalkulation zu­grunde gelegten Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung bei nicht mehr als 12 vom Hundert liegt. Ist dieser Grenzwert überschritten, ist es von Rechts wegen geboten, daß auch für die Einleitung von Niederschlagwasser gesondert berechnete Gebühren vorgesehen wer­den (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12. Juni 1972, DÖV 1972, 722, v. 25 . März 1985, NVwZ 1985, 496, und v. 27. Oktober 1998, EStT NW 1999, 406).

 

Bereits im Jahr 1981 hatte der Kostenanteil der Niederschlagwasserbeseitigung im Entwässe­rungsgebiet der Beklagten diese Grenze überschritten, er betrug damals rund 14 % (vgl. Gut­achten „Kostenermittlung der Niederschlagswasserbeseitigung - Schlußbericht –“ von Pro­fessor Böhm u. a., Institut für Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Raumplanung an der Technischen Hochschule Darmstadt, vom 10. November 1987, Seite 17). Unter Berück­sichtigung der oben (Seite 14) dargelegten allgemeinen Erfahrung geht das Gericht - auch im Hinblick auf die Einlassungen der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung - ‚da­von aus, daß diese Überschreitung der maßgeblichen 12-%-Grenze in den Folgejahren und dementsprechend auch in dem hier zu berücksichtigenden Kalkulationszeitraum weiter ange­stiegen ist. So wurden nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen aller Beteiligten insbesondere ab dem Zeitpunkt, zu dem die Beigeladene die Klärwerke übernommen und weiter ausgebaut hatte, erhebliche finanzielle Anstrengungen unternommen, um zu verhin-dern, daß - wie in früheren Jahren - bei Starkregenfällen große Mengen Abwassers, die das alte Klärwerk nicht mehr fassen konnte, abgeschlagen und über Kanäle in der Gemarkung der Beklagten - vornehmlich in Waldstücken - zur Versickerung gebracht wurden. Wie ein Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll erläuterte, sind in­zwischen spezielle Bauwerke errichtet und es ist das alte Klärwerk umgebaut worden, um Wassermengen, die bei starken Regenfällen oft schlagartig auftreten und von dem Klärwerk nicht mehr im Rahmen, der zulässigen Einlaufmenge bewältigt werden können, zunächst zu­rückzuhalten, um sie dann später nach dem Ende der starken Niederschläge nach und nach wieder entsprechend der Kapazität der Klärwerkseinrichtungen nach dorthin abzuleiten. Ne-

 

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ben dem umgerüsteten alten Klärwerk stehen hierfür im Stadtgebiet der Beklagten weitere besondere Überläufe und Rückhaltebecken zur Verfügung, ebenso entsprechend größer di­mensionierte Kanalleitungen. Außerdem gibt es im Gebiet der Beklagten mittlerweile neben dem vorherrschenden Misch-Kanalsystem auch in einigen Wohnbereichen Trennkanalisati-on, in der Schmutz- und Regenwasser getrennt abgeleitet wird. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß diese, zusätzlichen Investitionen in Bauwerke zur Aufnahme von Nieder-schlagwasser nicht nur die Gesamtkosten für die öffentliche Einrichtung „Abwasserbeseiti­gung“ erhöhen, sondern vielmehr auch den Kostenanteil hieran, der auf die Ableitung .des, Niederschlagwassers entfällt.

Auf mehrfache Anfragen des Gerichts konnte die Beklagte zunächst keine Angaben über die Entwicklung dieses Kostenanteils seit der gutachterlichen Prüfung im Jahre 1987 machen. Sie trug in diesem Zusammenhang vor, daß dieser Kostenanteil für die Jahre nach 1981 nicht mehr ermittelt worden sei - und dies obwohl die Einführung eines gesplitteten Gebühren-maßstabes (Gebührenbemessung nach verbrauchtem Frischwasser und Grad der versiegelten Grundstücksoberfläche) bereits begonnen hatte, dann aber - offenbar aus politischen Grün­den - wieder gestoppt worden war. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung ließ sich die Be­klagte dann dahingehend ein, daß sie von einem Anteil der Beseitigungskosten für das Nie-derschlagwasser an den gesamten Abwasserkosten von ungefähr 30 % ausgehe, die übrigen 70 % entfielen auf die Beseitigung des Schmutzwassers.

Die weitere Aufklärung dieses Kostenanteils im Sinne des § 86 VwGO durch das Gericht war nicht erforderlich. Für die Kammer steht aufgrund der beschriebenen Erkenntnisse fest, daß die rechtliche bedeutsame 12-%-Grenze auf jeden Fall überschritten ist mit der Folge, daß sich die alleinige Bemessung der Abwassergebühren nach dem Frischwasserbezug unter Außerachtlassung der auf den Grundstücken anfallenden und der öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ zufließenden Niederschlagwassermengen als rechtswidrig darstellt.

 

b)   Zum anderen wird dieses Ergebnis auch durch einen Blick auf die Siedlungs- und Versiege-lungsstruktur der im Stadtgebiet der Beklagten liegenden Erdoberfläche bestätigt. Es spricht viel dafür, daß die Bebauungs- und Wasserversorgungsstruktur der Beklagten nicht derart homogen ist, daß unter Beachtung der gebührenrechtlichen Vorgaben noch von einer hinrei-chenden Beziehung zwischen dem Frischwasserverbrauch und der Summe der versiegelten Flächen, von denen Niederschlagwasser abgeleitet und in die öffentliche Kanalisation einge-leitet wird, gesprochen werden kann. Für die Kammer ist es mehr als naheliegend, daß diese Relation um so weniger besteht, je mehr in einer Kommune städtische - oder wie bei der Be­

 

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klagten: großstädtische - Strukturen bestehen. Bekanntermaßen gibt es besonders in großen Städten im Hinblick auf Wasserverbrauch und Größe der versiegelten Flächen eine eher grö­ßere Vielfalt als in kleineren Einheiten. Mit anderen Worten: es stehen sich größere Gruppen von Grundstücken gegenüber, die sich im Hinblick auf die beiden genannten Kriterien we­sentlich voneinander unterscheiden, somit unterschiedliche Grundstückstypen darstellen. Dementsprechend kann - ohne daß dies in quantitativer Hinsicht näher ermittelt werden müßte - davon ausgegangen werden, daß gerade in Großstädten zum Beispiel einer größeren Gruppen von kleinen Einfamilienhaus-Grundstücken eine ebenfalls größere Gruppe von Grundstücken gegenübersteht, die bei annähernd gleichem Wasserverbrauchsverhalten im Vergleich zur ersten Grundstücksgruppe über ein Mehrfaches der versiegelten Fläche ver­fügt. Es kommt in Großstädten wie der Beklagten weiter hinzu, daß die Typengerechtigkeit durch eine ins Gewicht fallende Zahl besonderer Grundstückstypen gestört ist, die - ohne ei-nen entsprechenden Frischwasserbezug aufzuweisen - durch einen sehr hohen Grad versie­gelter Flächen charakterisiert ist wie zum Beispiel Lebensmittel-, Baustoff-, Großmärkte oder Einkaufszentren des Einzelhandels (vgl. hierzu VG Aachen a. a. O.)

 

2. Mit der Einstellung der Ausgabenposition „Erstattung ... für Betriebskosten Kläranlagen“ in den städtischen Haushalt (Kostenstelle 675100.0 im Unterabschnitt 7000 „Abwasserbeseiti­gung“) hat die Beklagte im hier zu prüfenden Zeitraum geltendes Recht verletzt. Zwar zählen zu den nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG in die Gebührenberechnung grundsätzlich einstellbaren, Soge­nannten ansatzfähigen Kosten neben den Aufwendungen für die laufende Verwaltung und Un­terhaltung sowie angemessene Abschreibung und Verzinsung des Anlagekapitals auch „Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen“. Dabei gilt für diese fremden Leistungen - wie

im übrigen auch für die von der Kommune selbst und unmittelbar erbrachten -‚ daß sie betriebs-bedingt, das heißt für den Betrieb der öffentlichen Einrichtung unter Beachtung der einschlägi­gen gesetzlichen Vorgaben erforderlich sein müssen (vgl. HessVGH, Beschl. v. 27. April 1999, ESVGH 49, 222 m. w. N.). Hiernach dürfen Fremdleistungsentgelte nur insoweit in die Gebüh­renkalkulation eingestellt werden, als der „aus dem Wesen der Gebühr folgende Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten als Ausprägung des allgemeinen abgabenrechtlichen Gebots der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung“ (HessVGH a. a. O.) beachtet worden ist. Dies bedeutet umgekehrt, daß die entsorgungspflichtige Körperschaft nicht alle an Dritte nach den

von ihr mit diesen geschlossenen Fremdleistungsverträgen zu zahlenden Kosten - quasi unbese­hen - umlegen und den Gebührenzahlern anlasten darf.

 

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Zur Frage der Erforderlichkeit von Fremdleistungsentgelten hat die Rechtsprechung unter­schiedlich ausdifferenzierte Prüfungskriterien geschaffen (vgl. insgesamt: Schulte in Driehaus a. a.O.,Rdnr. 114 ff. zu § 6 m. w. N.):

a)   Das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein hatte in einer einzelnen Ent­scheidung die Rechtspflicht statuiert, wonach die entsorgungspflichtige Körperschaft vor der Beauftragung Dritter mit der Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben (z. B. Abfallentsorgung) grundsätzlich zu prüfen habe, ob sie ihre Aufgabe nicht in eigener Regie kostengünstiger er­füllen könne. Zu diesem Zweck habe sie eine Wirtschaftlichkeitsberechnung anzustellen. Die rechtliche Möglichkeit, sich Dritter bei der Erfüllung eigener Aufgaben zu bedienen, dürfe nicht dazu führen, daß die dadurch entstehenden Kosten ohne Rücksicht auf ihre Höhe auf die Gebührenzahler abgelastet werden. Mehrkosten, die allein durch die Beauftragung außer­halb der Verwaltung stehender Dritter entstünden, seien grundsätzlich keine für die Lei­stungserbringung erforderlichen Kosten und damit nicht umlegungsfähig. Die öffentliche Hand dürfe sich den Regelungen des materiellen Haushalts- sowie des Abgabenrechts weder. dadurch entziehen, daß sie das Nutzungsverhältnis privat-rechtlich ausgestalte oder öffentli-che Aufgaben privatisiere noch durch die vollumfängliche Beauftragung Dritter. Zwar sei bei der Vergabe von Einzelaufträgen an Dritte bei Bestehen von Markt- oder Wettbewerbsprei­sen davon auszugehen, daß diese Fremdkosten die Selbstkosten der öffentlichen Hand regel­mäßig unterschritten - insbesondere dann, wenn die Körperschaft weder über das notwendige Gerät noch über das erforderliche Personal verfüge. Anders sei es allerdings zu beurteilen, wenn die Erfüllung der Aufgabe der öffentlichen Hand eine kontinuierliche Leistungserbrin­gung erfordere. Dann könne es kostengünstiger sein, eigenes Personal vorzuhalten, eigenes Gerät anzuschaffen und selbst die erforderlichen baulichen Investitionen zu tätigen. Habe die Körperschaft dagegen diese Prüfung vor der Auftragerteilung an Dritte nicht durchgeführt, folge bereits aus diesem Verstoß die Nichtigkeit der Gebührensatzung (Schl.-Hst. OVG, Urt. v. 24. Juni 1998, KStZ 1999, 135).

 

b)     Nach einer anderen - weniger weit reichenden - Auffassung gebiete es der gebührenrechtli­che Grundsatz der Erforderlichkeit im Hinblick auf die in die Gebührenkalkulation einge­stellten Fremdkosten, daß eine kommunale Gebietskörperschaft vor der Vergabe von Aufträ­gen an Dritte diese öffentlich ausschreibe. Hierdurch werde auch dem haushaltsrechtlichen Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung entsprochen; nur eine Aus­schreibung, die den Wettbewerb zwischen mehreren konkurrierenden Unternehmen ausnutze, bezwecke und gewährleiste in der Regel einen im Vergleich zur freihändigen Vergabe von

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Leistungen oder Aufträgen niedrigeren Kostenaufwand. Die Einhaltung dieser Verpflichtung vor der Vergabe von Aufträgen an Dritte sei deshalb aus gebührenrechtlichen Erwägungen grundsätzlich unerläßlich (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 29. März 1999, DVP 1999, 301 m. w. N.; Nieders.. OVG, Urt. v. 22. Januar 1999, NVwZ 1999, 1128 m. w. N.).

Als Konsequenz aus der an sich gebotenen aber fehlenden öffentlichen Ausschreibung vor der Vergabe von Aufträgen an Dritte folge die generelle Fehlerhaftigkeit des ermittelten Ge-bührenaufwandes, das heißt die Nichtigkeit der Gebührenfestsetzung, es sei denn die entsor-gungspflichtige Körperschaft könne im Wege des Gegenbeweises die Angemessenheit der Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen in anderer Weise belegen. Dieser Nachweis, daß niedrigere Entgelte für Fremdleistungen auch bei einer Ausschreibung vor­aussichtlich nicht hätten vereinbart werden können, sei in der Regel geführt, wenn der abge­schlossene Vertrag mit dem Dritten den Vorschriften des Preisprüfungsrechts entspreche und die Beachtung dieser Vertragsklausel durch die Einschaltung der zuständigen Preisüberwa­chungsstelle für die Überprüfungen der Rechnungen des Dritten gewährleistet sei (Nieders. OVG a. a. O. Seite 1129).

c)   Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 27. April 1999, a. a. O.) geht schließlich

davon aus, daß das in die Gebührenkalkulation eingestellte Fremdentgelt für Leistungen Dritter jeweils dann an der auf § 2 PreisG beruhenden Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (BAnz. Nr. 244 vom 18. Dezem­ber 1953) mit den in den Anlagen dazu aufgeführten Leitsätzen für die Preisermittlung auf­grund von Selbstkosten (LSP) zu messen ist, wenn keine Markt- oder Wettbewerbspreise existieren oder aufgrund einer notwendigen öffentlichen Ausschreibung ermittelt werden können 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Nur diejenigen Fremdentgelte, die dieser rechtlichen Prüfung Stand hielten, seien erforderlich im Sinne des Gebührenrechts und damit auf die Ge­bührenzahler umlagefähig.

 

In Anwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Antworten auf die eingangs be­schriebene Fragestellung kommt die Kammer zur Auffassung, daß die von der Beklagten in ihre Gebührenkalkulation eingestellte „Erstattung ... für Betriebskosten Kläranlagen“ keine auf die Gebührenpflichtigen ablastbaren erforderlichen Kosten im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG darstellen. Die Vorschriften des Preisrechts und das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung, das dem Gemeindehaushaltsrecht entspringt und in. § 30 der Gemeindehaus­haltsverordnung eine besondere normative Ausprägung erfahren hat, verbieten die Einstellung dieser Kostenposition in die Gebührenkalkulation der Beklagten.

 

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Bei seiner rechtlichen Betrachtung hatte das Gericht den zwischen der Beklagten und der Beige­ladenen geschlossenen Betreibervertrag vom 22./24. Dezember 1988 in der Fassung zugrunde zu legen, die er durch die zwischen denselben Beteiligten geschlossene Durchführungsvereinbarung vom 19. Januar/26. Februar 1996 - mit rückwirkender Gültigkeit - erhalten hat. Ausgangspunkt der Betrachtung ist zunächst § 6 des erstgenannten Vertrages, in welchem Preise für die Reini­gung des Abwassers vereinbart wurden, die sich weder als Markt- noch als Wettbewerbspreise darstellen, insbesondere nicht aus einer öffentlichen Ausschreibung hervorgegangen sind, und die sich auch nicht an den Vorschriften des (öffentlichen) Preisrechts ausrichten. Den von der oben unter Buchst. b) dargestellten Rechtsprechung zugelassenen Gegenbeweis im Hinblick dar­auf, daß die vereinbarten Preise gleichwohl erforderlich im Sinne des Abgabenrechts seien, hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt geführt.

 

Zwar haben Beklagte und Beigeladene in Art. 1 der Durchführungsvereinbarung die Vorschrift des § 6 des Betreibervertrages rückwirkend auf das Inkrafttreten des Betreibervertrages dergestalt geändert, daß die von der Beklagten an die Beigeladene für die Klärung der anfallenden Abwäs­ser zu entrichtende Vergütung nach den jeweils geltenden preisrechtlichen Vorschriften (VO PR Nr. 30/53) zu bemessen ist. Hiernach ersetzt die Beklagte der Beigeladenen „auf Nachweis die zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen angefallenen Selbstkosten“ als Selbstkostener­stattungspreis im Sinne der LSP. Diese Entgeltvereinbarung auf der Grundlage des öffentlichen Preisrechts, insbesondere der Verordnung PR Nr. 30/53 allein führt nicht dazu, daß die derart vereinbarten und von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Fremdentgelte ohne weiteres in die Gebührenkalkulation der Beklagten übernommen werden durften. Nach Auffassung der Kammer reicht es zum Nachweis der Erforderlichkeit der Fremdleistungsentgelte allein nicht aus, die Anwendung des öffentlichen Preisrechts, insbesondere der LSP vertraglich zu vereinba-ren. Darüber hinaus muß die öffentliche Körperschaft, die die derart berechneten Kosten Dritter auf die Gebührenpflichtigen umlegen will, auch alles ihr mögliche und zumutbare tun, damit das öffentliche Preisrecht bei der Ermittlung der Fremdentgelte über die bloße vertragliche Vereinba­rung hinaus auch tatsächlich angewendet wird. Nur wenn dies wenigstens in einer diesbezügli­chen eigenen Überprüfung durch die Kommune als Trägerin der öffentlichen Aufgabe „Abwas­serbeseitigung“ festgestellt worden ist, könnten sich die an den Dritten gezahlten Entgelte als ge-bührenfähig darstellen.

 

 

 

 

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In dem hier zu beurteilenden Fall wird für das Gericht, insbesondere unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung, deutlich, daß die Beklagte diese Prüfung - wenn überhaupt - nicht in dem gebotenen Umfang durchgeführt hat. Es ist vielmehr der Eindruck entstanden, als sei der an die Beigeladene für die Abwasserreinigung zu zahlende Preis (Kostenstelle 475100.0 „Erstattung

... für Betriebskosten Kläranlagen“) ohne wirkliche eigene Prüfung gezahlt und in die Gebühren-kalkulation eingestellt worden. Demgegenüber hätte die Beklagte jedoch hinreichend Grund und Veranlassung gehabt, diese Entgelte einer eigenständigen Überprüfung zu unterziehen, wie sich aus dem Folgenden ergibt:

 

Erstens spricht sehr viel dafür, daß die Beklagte den Auftrag zur langjährigen (d. h. zunächst auf 30 Jahre befristeten) Reinigung des in ihrem Stadtgebiet anfallenden Abwassers unter Verstoß gegen ihre gemeindehaushaltsrechtliche Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung derartiger Auf- träge freihändig vergeben hat. Nach § 30 Abs. 1 der Gemeindehaushaltsverordnung muß der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorangehen „sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen“. Hierbei sind nach Absatz 2 dieser Rechtsvorschrift die von dem Minister des Innern bekanntzugebenden Vergabegrundsätze anzuwenden. Maßgebliche Konkretisierung dieser Vergabegrundsätze zum Zeitpunkt des Ab­schlusses des Betreibervertrages waren der Gemeinsame Runderlaß „Öffentliches Auftrags we­sen; Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen (VOL)“ vom 14. .Janu-ar 1985 (StAnz. S. 365) und der Erlaß des Hessischen Ministers des Innern „Öffentliches Auf-tragswesen; 27. Bekanntmachung nach § 30 Abs. 2 GemHVO betr. Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL)“ vom 2. Dezember 1985 (StAnz. S. 2320), der den genannten Gemeinsamen Runderlaß als für die Gemeinden und Gemeindeverbände ver­bindliche Vergabegrundsätze nach § 30 Abs. 2 der Gemeindehaushaltsverordnung festschrieb. Die mit den erwähnten Erlassen für die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt verbindliche Ver-dingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen (VOL) sieht in Teil A § 1 Abs. 1 vor, daß Leistungen im Sinne der VOL - neben hier nicht interessierenden Lieferungen - alle Leistungen sind, die nicht unter die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) fallen.. Die von der Beklagten an die Beigeladene vergebene Leistung „Abwasserreinigung“ ist eine derarti-ge Leistung, insbesondere keine Bauleistung. Die anderen Ausschlußgründe des § 1 Nr. 2 VOL (Leistungen im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit) liegen ebenfalls nicht vor. Damit ist der Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb 2 Nr. 1 Abs. 1 VOL) zu beachten. § 3 Nr. 2 VOL, der mit § 30 Abs. 1 der Gemeindehaushaltsverordnung fast identisch ist, statuiert ebenfalls die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung, wenn nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Um-

 

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stände eine Ausnahme hiervon rechtfertigen. In § 3. Nr. 3 und 4 VOL sind derartige eine Aus­nahme von der zwingenden öffentlichen Ausschreibung rechtfertigende Umstände beschrieben. Nach Nr. 4 dieser Vorschrift soll die freihändige Vergabe einer Leistung und damit das Absehen sowohl von einer öffentlichen als auch von einer beschränkten Ausschreibung nur in bestimmten Situationen stattfinden, die einzeln und enumerativ aufgeführt sind. Hierzu zählen - bezogen auf den hier zu beurteilenden Fall - im wesentlichen folgende Ausnahmen:

Für die zu vergebende Leistung kommt aus besonderen Gründen (z. B. besondere Erfahrungen, Zuverlässigkeit oder Einrichtungen, bestimmte Ausführungsarten) nur ein Unternehmen in Be-tracht 3 Nr. 4 Buchst. a VOL). Diese besonderen Gründe lagen bei der Beigeladenen zum Zeitpunkt der Übertragung der Abwasserreinigung gerade nicht vor; sie besaß zu diesem Zeit-punkt auf dem übernommenen Tätigkeitsfeld überhaupt keine Geschäftserfahrung, sondern nahm diese Aufgabe nach Übertragen durch die Beklagte erstmals war. Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß die Beigeladene nahezu sämtliche Bediensteten der Beklagten übernommen hatte, die bisher im Bereich Abwasserreinigung tätig waren. Zum einen bildeten diese übernommenen Mitarbeiter lediglich einen Teil der bei der Beklagten auf diesem Arbeitsgebiet früher beschäf­tigten Bediensteten. Zum anderen aber ging das übernommene Personal im Unternehmen der Beigeladenen auf, dessen Schwerpunkte zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls von der Abwasser-reinigung völlig verschiedene (Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung) waren. Bei Anlegung objekti­ver Kriterien kam demnach nicht die Beigeladene als einziges Unternehmen zur Übernahme der Leistung „Abwasserreinigung“ in Betracht; völlig fehlende Erfahrung, Zuverlässigkeit auf die­sem Tätigkeitsfeld einerseits und bis dahin bei ihr überhaupt nicht vorhandene Einrichtungen an­dererseits sprachen eher gegen die Auswahl der Beigeladenen.

Eine freihändige Vergabe kann ferner dann stattfinden, wenn die Leistung besonders dringlich ist (Nr. 4 Buchst. f). Diese besondere Dringlichkeit ist weder ersichtlich noch vorgetragen, kommt im übrigen auch vor dem Hintergrund nicht in Betracht, daß die Beklagte vor der Übertragung der Abwasserreinigung auf die Beigeladene die erforderlichen tiefgreifenden Modernisierungs-maßnahmen an dem Klärwerk über einen gewissen Zeitraum unterlassen hat.

Auch die anderen in Nr. 4 aufgezählten Ausnahmen vom Gebot der öffentlichen Abschreibung liegen nicht vor oder sind von ihrem Anwendungsbereich her erst gar nicht in Betracht zu ziehen. Im übrigen ist aus den dem Gericht zur Verfügung gestellten Behördenunterlagen auch nicht zu entnehmen, daß die Beklagte bei der freihändigen Vergabe ihrer nach § 3 Nr. 5 VOL obliegen­den Pflicht nachgekommen wäre, aktenkundig zu machen, weshalb von einer öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung abgesehen worden ist.

 

 

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Zweitens hatte die Beigeladene bereits im Vorfeld signalisiert, daß sie sich an einer öffentlichen Ausschreibung der Leistung „Abwasserreinigung“ nicht beteiligen werde. Dies ergibt, sich nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers, der dazu aus einem Protokoll über ein Gespräch auf Leitungsebene zwischen Beklagter und Beigeladener zitiert. Hiernach habe der damalige Vorstandsvorsitzende der Beigeladenen unter anderem dem Dezernenten für Kämmerei und Ab­wasserbeseitigung der Beklagten gegenüber ausgedrückt, daß die Beigeladene an einer Aus-schreibung für den Betrieb der Zentralkläranlage nicht interessiert sei und in einen solchen, öf-fentlichen Wettbewerb erst gar nicht eintreten werde. Gerade wenn, wie hier, die Beigeladene als Vertragspartner der Beklagten nicht an der Bildung eines Preises für die Abwasserreinigung zu Markt- und Wettbewerbsbedingungen - aus welchen Gründen auch immer - interessiert war, hätte sich der Beklagten nach Auffassung des Gerichts die Notwendigkeit aufdrängen müssen, bei der rückwirkenden Änderung der Preisvorschriften des Betreibervertrages in der Durchfüh­rungsvereinbarung nicht nur die Anwendung des Preisrechts und der LSP, sondern darüber hin­aus auch die nötigen Kontroll- und Prüfungsrechte zu vereinbaren und in der Folgezeit auch -quasi treuhänderisch zugunsten der Gebührenpflichtigen - wahrzunehmen.

 

Drittens wurde die Notwendigkeit der Überprüfung der Kostenansätze durch die Beigeladene nach LSP noch einmal deutlich in dem Zeitpunkt, als sich die Beigeladene weigerte, die öffentli­che Preisprüfung durch die Preisüberwachungsstelle bei dem Regierungspräsidium Darmstadt im Hinblick auf die im Betreibervertrag vereinbarten Preise zu dulden. Damit ist offenkundig, daß sich die Beigeladene der unabhängigen Preisprüfung, wie sie die erwähnte Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (siehe oben Seite 18f.) als Nachweismöglichkeit der Erforderlichkeit der eingestellten Fremdleistungsentgelte vorsieht, nicht unterwerfen will. Um so mehr hätte die Beklagte, die zum damaligen Zeitpunkt über 60 % der Aktienanteile an der Bei-geladenen hielt, auf eine Überprüfung der vereinbarten Selbstkostenerstattungspreise (z. B. auch durch ihr städtisches Rechnungsprüfungsamt oder die Kämmerei) bedacht sein müssen.

 

Letztlich gibt es Anhaltspunkte dafür, daß von Dienststellen der Beklagten vor Abschluß der Durchführungsvereinbarung auch Zweifel an der Erforderlichkeit der eingestellten Kosten geäu­ßert wurden. So legte - wiederum - der Kläger unwidersprochen ein Zitat aus zwei Vermerken des Rechnungsprüfungsamts der Beklagten vom 13. und 14: November 1995 vor, in dem kon-krete Bedenken gegen den Bestandteil „Gemeinkosten“ an dem der Beigeladenen zu zahlenden Gesamtentgelt geäußert werden.

 

 

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Nach diesen Darlegungen war es zur Bestimmung der Erforderlichkeit der von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Entgelte völlig unzureichend, daß sich die Beklagte im Betreibervertrag zum einen und der Durchführungsvereinbarung zum anderen in gewisser Hinsicht Prüf- und Kontrollrechte lediglich vertraglich einräumen ließ. Zum einen dienten diese Kontrollrechte

(z. B. § 7 des Betreibervertrages) schon ihrem Wortlaut nach eindeutig der technischen Überwa-chung bzw. Kontrolle „technischer Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten der  . . (Beigeladenen) aus diesem Vertrag“. Zum anderen nahm die Beklagte die ihr zu-stehenden Prüfrechte im Hinblick auf die berechneten Selbstkosten augenscheinlich überhaupt nicht wahr. Ein Vertreter der Beklagten ließ sich auf diesbezügliche Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung dahingehend ein, daß die Beklagte den in § 6 Abs. 1 des Betreiberver­trages in der Fassung der Durchführungsvereinbarung vereinbarten Nachweis der Selbstkosten im Sinne des Preisrechts zu keiner Zeit von der Beigeladenen verlangt habe. Statt dessen habe sich die Beklagte sowohl auf die Abrechnung durch die Beigeladene als auch die von der Beige-ladenen in Auftrag gegebenen Gutachten von Wirtschaftsprüfern verlassen. Letztere wurden von einem Vertreter der Beklagten im Termin als „bindend“ dargestellt.

 

Entgegen sowohl von den Vertretern der Beklagten als auch und insbesondere der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung abgegebenen Einschätzung stellen die in Bezug ge­nommenen Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften „WIBERA“ und „C & L Deutsche Revision“ nach Überzeugung der Kammer keine objektive Überprüfung der Selbstkostenpreise der Beigeladenen nach Preis- oder Abgabenrecht dar. Ausweislich dieser dem Gericht in Kopie vorliegenden Gutachten war nicht die Beklagte, sondern in jedem Fall die Beigeladene Auftrag­geberin, und diese Begutachtung fand ausdrücklich im Zusammenhang mit der Jahresabschluß-prüfung bei der Beigeladenen statt, sowie dies im übrigen in § 6 Abs. 4 des Betreibervertrages in der Fassung der Durchführungsvereinbarung vorgesehen ist. Unabhängig davon, daß die Be­klagte nach dieser Vereinbarung nicht Auftraggeberin für die Prüfgutachten ist und damit auch keinerlei Einfluß auf Einzelheiten der Prüfung nehmen kann, berührt es eigenartig, wenn die An-gemessenheit der Verwaltungs- und Gemeinkosten der Beigeladenen nicht voll umfänglich, son­dern lediglich „im Sinne von Plausibilität“ (Gutachten z. B. WIBERA Nr. 59 0652 0 vom 16 Ja-nuar 1996 und wortgleich C & L Deutsche Revision Nr. 60 110500/3 vom 21. Mai 1999, jeweils Seite 12) und darüber hinaus bestätigt wird, daß die eingesetzten Aufwendungen „im Einklang mit den Ausführungsbestimmungen zu § 10 Hessisches Gesetz über kommunale Aufgaben (KAG)“ stehen (Gutachten z. B. WIBERA Nr. 06 3069 196 vom 1. September 1997 und wort-gleich C & L Deutsche Revision Nr. 60 11 0500/2 vom 21. Mai 1999, jeweils Seite 12). Ob die

 

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von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Selbstkostenerstattungspreise i. S. d. LSP nach Abgabenrecht auf die Gebührenpflichtigen umlagefähig sind, insbesondere mit den Vorschriften des Gesetzes über kommunale Abgaben übereinstimmen, ist keine von einem Wirtschaftsprü-fungsunternehmen zu beantwortende Frage, sondern obliegt der rechtlichen Verantwortung der Beklagten, die diese Fremdentgelte in ihre Gebührenkalkulation einstellen will. Die diesbezügli-chen Äußerungen der Wirtschaftsprüfer dürfen deshalb von der Beklagten nicht - quasi unbese-hen - als „bindend“‘ übernommen werden, und die Entgeltforderung darf nicht ungeprüft in die Gebührenbedarfsberechnung einfließen.

 

Der Umstand, daß die Beklagte das Fremdentgelt, das ihr die Beigeladene für die Reinigung der Abwässer berechnete, ohne die Prüfung durch objektive und unabhängige Stellen (Preisprü-fungsbehörde, Rechnungsprüfungsamt) in ihre Gebührenkalkulation eingestellt und auf den Klä­ger und die übrigen Gebührenpflichtigen abgelastet hat, stellt einen gravierenden methodischen Fehler in der Gebührenberechnung dar, der diese insgesamt rechtswidrig macht. Anders als .bei Gebührensätzen, die lediglich an einzelnen unrichtigen Kostenpositionen der Bedarfsberechnung leiden und die unter Umständen im Rahmen einer Nachkalkulation „geheilt“ werden können, be­steht diese Möglichkeit hier nicht. Abgesehen davon, daß die Beklagte - etwa nach Durchfüh-rung der erwähnten Überprüfung der Entgeltforderung der Beigeladenen - keine Berichtigung ihrer Gebührenkalkulation vorgelegt hat, dürften diese Heilungsmöglichkeiten hier wegen der systematischen Fehlerhaftigkeit der Gebühr erst gar nicht bestehen. Ferner sieht sich das Gericht auch nicht in der Lage - noch ist es seine Aufgabe - aus dem ihm vorgelegten umfangreichen Berechnungsmaterial (z. B. Aktenauszüge, Kalkulationen und Berechnungen sowie Vermerke) das gebührenrechtlich zulässige Fremdentgelt selbst zu ermitteln.

 

3. Im übrigen leidet die streitgegenständliche Gebührenerhebung nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf einzelne Kostenpositionen an einer fehlerhaften Berechnung des Gebührenbe­darfs.

a)   Der gebührenrechtliche Grundsatz der Periodengerechtigkeit stellt die gebührenfähigen Kosten im Sinne des § 10 Abs. 2 KAG als den durch die Leistungserbringung bedingten, in Geld ausgedrückten Werteverzehr an Gütern und Dienstleistungen, soweit sie für den Betrieb der öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ erforderlich sind, in Bezug zu einem be­stimmten Zeitrahmen, der Leistungs- bzw. Kalkulationsperiode. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang darauf abzustellen, ob und inwieweit gerade in diesem in Betracht genom­menen Leistungszeitraum und für die Personen, die in diesem Zeitraum die öffentliche Ein-

 

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richtung gebührenpflichtig in Anspruch nehmen, ein Güter- und Dienstleistungseinsatz statt­findet (vgl. Schulte in Driehaus a. a. O., Rdnr. 109 zu § 6 m. w. N.). Das bedeutet, daß Ko­sten, die nicht durch eine gerade diesen Benutzern der öffentlichen Einrichtung - in der Lei-stungsperiode - individuell zurechenbare Leistung veranlaßt sind, bei der Gebührenbedarfs-berechnung außer Betracht bleiben müssen (vgl. Lohmann in Driehaus a. a. O., Rdnr. 668a zu § 6). Das letztlich aus der Verfassung abgeleitete Gebot, wonach der Benutzungsgebühr eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung gegenüberstehen muß (vgl. etwa BVerfG. Beschl. v. 6. Februar 1979, NJW 1979, 1345) verbietet es nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich, Kostenpositionen, die in einer Leistungs- oder Kalkulationsperiode anfallen, in

einem anderen Zeitraum auf - dann zumeist nicht mehr identische - Gebührenpflichtige ab­zulasten.

 

In dem hier zu beurteilenden, eher seltenen Fall, in dem der Beklagten Ende 1995 aufgrund der bis in das Jahr 1989 rückwirkenden Umstellung der für die Abwasserreinigung zu zah­lenden Entgelte auf Selbstkostenpreise nach LSP Rückerstattungen der Beigeladenen für die Kalenderjahre 1990 bis 1994 zugeflossen sind, gilt entsprechendes. Die Ende 1995 zurück-gezahlten Bauzeitzinsen für das Zentralklärwerk und der zurückerstattete Differenzbetrag zwischen den tatsächlich in den Jahren 1989 bis 1994 aufgrund der ursprünglichen Entgelt-vereinbarung geleisteten Zahlungen und der Rückberechnung aufgrund der Anwendung der LSP für diese Jahre durfte nicht dem Gebührenhaushalt und den Gebührenpflichtigen des Jahres 1995 oder 1996 zugute kommen, sondern wäre - ebenfalls rückwirkend - auf die frü-heren Kalkulationsperioden aufzuteilen gewesen, in denen infolge der Rückberechnung bzw. Erstattung dei Bauzeitzinsen entsprechende Guthaben kalkulatorisch realisiert worden sind. Ordnet man die zurückerstattenden Beträgen den einzelnen Jahren ab 1989 zu, ergeben sich für einige dieser Jahre teilweise erhebliche Kostenüberdeckungen, im Schnitt ca. 6,7 %. Dies ist etwa das Doppelte der Gesamtabweichung von 3 %‚ die .von der Rechtsprechung allge­mein noch als tolerabel angesehen wird (vgl. u. a. OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 5. August 1994, NVwZ 1995, 1233).

 

b)  Es sprechen schließlich gewisse Anhaltspunkte dafür, daß in den Fremdentgelten, die die Be­klagte in ihre Gebührenkalkulation für das Jahr 1995 eingestellt hat, Kostenanteile enthalten
sind, die den Bau und Betrieb der Klärsch1ammbehndlungsanlage innerhalb des Klärwerk.s
zuzurechnen sind, obwohl diese nicht während der gesamten Kalkulationsperiode in Betrieb
war. Im Rahmen des Klageverfahrens feststellbar war lediglich, daß diese Anlage irgend-

 

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wann im Lauf des Jahres 1995 in Betrieb gegangen ist. Schriftsätzlich haben Beklagte bzw. Beigeladene hierfür unterschiedliche Zeitpunkte (1. Januar und 1. Dezember) angegeben.

was auch auf ein Schreibversehen bei der numerischen Darstellung des Monatsnamens zu-rückzuführen sein kann. In der mündlichen Verhandlung konnte dies nicht weiter aufgeklärt werden. Die Vertreter der Beigeladenen nannten einmal das Ende des Jahres 1995 und ein andermal den 1. September 1995 als Inbetriebnahmezeitpunkt.

Unabhängig hiervon geht das Gericht aufgrund der nach Abschluß der mündlichen Ver­handlung vorliegenden Erkenntnisse davon aus, daß die installierte Schlammbehandlungska­pazität zu einem nicht unerheblichen Teil überdimensioniert ist mit der Folge, daß die hierauf entfallenen Kosten nicht auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden können. Sowohl die im Vorfeld der Errichtung dieser Anlage von der Beigeladenen in Auftrag gegebene „Studie zur weitergehenden Klärschlammbehandlung der Klärwerke in Darmstadt“ (Ingenieurbüro für Verfahrenstechnik Dr. Born - Dr. Ermel GmbH, Juli 1989) als auch der dieser Anlage zugrundeliegende Genehmigungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 9. De­zember 1991 treffen Feststellungen, wonach Beigeladene und Beklagte zunächst davon aus-gegangen waren, daß der neu errichteten Klärschlammbehandlungsanlage auch sogenannte Fremdschlämme, das heißt Klärschlämme von dritter, nicht der Abwasserentsorgungspflicht der Beklagten unterliegenden Seite (z. B. Abwasserverband L., M. KGaA) zugeführt werden sollten. Aus diesem Grund wurde die Klärschlammtrocknungsanlage über den Bedarf der Beklagten, der sich aus den zu prognostizierenden Faulschlammengen der städtischen Klär­werke ergibt (etwa 6.000 tTS/a), geplant, genehmigt und gebaut. Die schließlich errichtete Ausbaustufe II ist derart dimensioniert (etwa 9.300 tTS/a), daß die zunächst erwarteten Fremdschlämme verarbeitet werden können. Allein hierfür wurden beispielsweise ein zu­sätzlicher Bunker zur Fremdschlammannahme mit Eingangseinrichtungen und ein zweites Zwischenlager für getrockneten Faulschlamm verwirklicht. Dadurch erhöhten sich die ange­nommenen Investitionskosten gegenüber der Ausbaustufe 1 (Kapazität für die in städtischen Klärwerken anfallenden Schlämme) um 2,6 Millionen DM (ca. 2,5 %) und die angenomme-nen spezifischen Kosten um etwa 3,2 % („Studie zur weitergehenden Klärschlammbehand-lung...“, Seite 118 f.).

Diese Mehrkapazitäten waren Gegenstand des Genehmigungsverfahrens zur Erweiterung der Kläranlage Mainzer Straße und führten schließlich zu der Empfehlung der Genehmigungsbe­hörde, „die Kapazität der Klärschlammtrocknungsanlage zu überprüfen, da die Planung eine größere Sicherheitsreserve beinhaltet“ (Hinweise C 3. — Seite 23). Das Gericht geht mit der Genehmigungsbehörde davon aus, daß die Trocknungsanlage etwa 45 % mehr Kapazität

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(netto) hat, was heißen soll, daß diese „Reserve“ zusätzlich zu der für Störfälle und Revisio­nen notwendigen Kapazität (2. Straße) vorhanden ist (Begründung Seite 43, Nr. 2).

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Beigeladenen, wo­nach die Dimensionierung der Klärschlammbehandlungsanlage im Hinblick auf die zunächst erwarteten Fremdschlämme nicht zu beanstanden sei, ist die Kammer der Überzeugung, daß die beschriebene Mehrkapazität für den ordnungsgemäßen Betrieb und die fachgerechte Be­handlung der von der Beklagten in ihrem Stadtgebiet zu entsorgenden Abwässer bzw. zu be­handelnden Schlämme nicht erforderlich ist mit der Folge, daß diese Mehrkosten nicht auf die Gebührenpflichtigen im Stadtgebiet der Beklagten abgelastet werden dürfen.

 

c)   Nach Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gibt es ferner eindeutige Hinwiese darauf, daß es die Beklagte versäumt hat, Ausschüttungen bzw. Dividendenzahlungen der Beigela­denen an sie als deren (Mit-) Anteilseignerin nicht dem Haushalt-Unterabschnitt 7.000 („Abwasserbeseitigung“) gutzuschreiben, soweit diese Erträgnisse aus dem Geschäftsbereich „Abwasserbeseitigung“ der Beigeladenen herrühren.

Die Beigeladene hat neben jährlichen Dividenden von 9 oder 10 % in den Jahren 1994 und später eine einmalige Sonderausschüttung an die Beklagte in Höhe von 50 Millionen DM geleistet. Es spricht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung viel dafür, daß diese Ausschüttungen zu einem großen Anteil auf die Geschäftsfelder „Gas-, Wasser- und Wärme-versorgung“ der Beigeladenen entfallen und lediglich ein - im Rahmen dieses Verfahrens nicht weiter aufklärbarer - Anteil der Tätigkeit der Beigeladenen auf dem Gebiet der Abwas­serreinigung zuzuordnen ist. Wie hoch dieser aus der Abwasserreinigung herrührende Anteil ist, konnte die Beklagte - auch in der mündlichen Verhandlung - nicht angeben. Die Beige­ladene vertrat schriftsätzlich den Standpunkt, daß durch die Vereinbarung von Selbstkosten­erstattungspreisen Gewinne auf diesem Geschäftsfeld per se ausgeschlossen seien, hielt die­ses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung aber nicht in dem Umfang aufrecht, sondern teilte mit, daß letztlich für die Abwasserreinigung nicht durchgängig eine spezielle und ein-deutig zugeordnete Kosten- und Leistungsrechnung erstellt worden sei. Demzufolge könne die Frage nach dem auf dieses Geschäftsfeld der Beigeladenen entfallenden Gewinn auch nicht beantwortet werden. Dieser Umstand berührt zunächst eigenartig - gerade im Hinblick auf die Größe der beigeladenen Aktiengesellschaft -‚ kann aber letztlich auf sich beruhen.

Es ist aus rechtlicher Sicht hervorzuheben, daß sowohl Sonderausschüttungen als auch Divi­dendenzahlungen aus diesem Geschäftsbereich als Gewinne der Beigeladenen anzusehen und nach Ausschüttung an die beklagte Anteilseignerin auch dem Gebührenhaushalt „Abwasser­

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reinigung“ gutzuschreiben sind. Gewinne entsorgungspflichtiger Körperschaften, die diese aus Beteiligungen an Entsorgungsgesellschaften ziehen, müssen in der Gebührenkalkulation von den Kosten der Einrichtung abgezogen werden, um zu verhindern, daß sich die Kommu-ne illegale Finanzquellen zu Lasten der Gebührenpflichtigen erschließt (OVG Meck.-Vorp., Urt. v. 7. November 1996, RAnB 1997, 179). Nach Auffassung des Gerichts muß der Abzug dieses kalkulatorischen Gewinns von den auf die Gebührenpflichtigen umzulegenden Kosten auch dann erfolgen, wenn - wie hier vorgetragen - der Gewinn nach Handels- oder Steuer­recht nicht ausgeschüttet wird, sondern im Wege des sogenannten Prinzips „Schütt-aus-hol-zurück“ zum Zwecke der Kapitalerhöhung zurückfließt bzw. dort verbleibt. Diese - auf das Geschäftsfeld „Abwasserreinigung“ - bezogene Kapitalerhöhung stellt nämlich einen den Gebührenpflichtigen zuzurechnenden Wertzuwachs des diesbezüglichen Anteils der Beklag-ten an der Beigeladenen dar.

 

d)   Rechtlich sehr zweifelhaft ist schließlich der von der Beklagten übernommene Eigenanteil im Hinblick auf die Entwässerung öffentlicher Straßen und Plätze. Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung stützt sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf Berechnun­gen aus den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Hiernach habe der Anteil öffentlicher Flächen bei 10,4 % gelegen Die Beklagte hat diesen Flächenanteil bis 1995 ihren abzuset­zenden Eigenanteilen zugrundegelegt und erst ab 1995 geschätzte Erhöhungen vorgenom-men. Die Beklagte konnte weder im schriftlichen noch im mündlichen Vortrag hinreichend substantiiert und nachvollziehbar verdeutlichen, inwieweit die aus der alten Flächenberech­nung entwickelten Schätzungen den realen Gegebenheiten in den einzelnen Kalkulationspe­rioden entsprochen haben.. Auch auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhand-lung konnte die Beklagte Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten hierzu nicht ausräumen, sondern teilte lediglich mit, der Anteil privater und öffentlicher Flächen sei in etwa gleich­mäßig gestiegen. Berechnungen hierzu gebe es aber nicht. Aktuelle Zahlen hierzu lägen nicht vor. Dies überzeugt nicht ohne weiteres. Nach Auffassung der Kammer sind die tatsächlichen Gegebenheiten bei der städtischen Liegenschafts- und Katasterverwaltung bekannt oder je­denfalls zu ermitteln. Damit wäre der tatsächliche Anteil öffentlicher Flächen berechenbar, um hinreichend wirklichkeitsnahe Daten für die Gebührenkalkulation zu erhalten.

 

Rechtliche Bedenken - auf die es aber im Hinblick auf das zuvor Gesagte - nicht entscheidend ankommt, bestehen für die Kammer auch hinsichtlich weiterer in die Gebührenkalkulation der Beklagten eingestellter Kosten:

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e)   Bezüglich der Jahre 1989 bis 1994 ist nicht nachvollziehbar, wieso die Verwaltungs- und

Gemeinkosten von der „Ist-Abrechnung“ der Umsätze in Höhe von etwa 16,4 Millionen DM in der Rückrechnung auf 21,8 Millionen DM gestiegen sind. Dies dürfte nicht der pauschalen Festlegung in der Durchführungsvereinbarung auf 4 Millionen DM pro Jahr entsprechen. Die Beigeladene hat hierzu vorgetragen, der Pauschbetrag an Gemeinkosten werde seit Abschluß der Durchführungsvereinbarung - auch rückwirkend - von den beauftragten Wirtschaftsprü­fern in regelmäßigen Abständen gesondert geprüft und bestätigt. Hierzu liegen mit den oben (Seite 24f.) zitierten Gutachten aus dem Jahre 1996 und 1999 (WIBERA, C & L) jedoch le­diglich Testate vor, die die Richtigkeit „im Sinne von Plausibilität“ und nicht einer umfas­senden Prüfung bestätigen. Auch ist in diesem Zusammenhang noch einmal, auf die bereits oben (Seite 23) berichteten Bedenken des Rechnungsprüfungsamtes der Beklagten vom 13. und 14. November 1995 hinzuweisen, wonach die seitherigen Gemeinkostenzuschläge als zu hoch bewertet worden sein sollen.

 

f)   Die der Beklagten von der Beigeladenen berechneten Entgelte für die Abwasserreinigung enthalten unter anderem Kostenbestandteile, die das Unternehmenswagnis abdecken. Wäh­rend der Betreibervertrag keine diesbezüglichen Kostenbestandteile enthielt und in den Jah­ren 1989 bis 1994 dementsprechend auch keine diesbezüglichen Kostenbestandteile gezahlt und abgelastet wurden, sieht der nach § 6 des Betreibervertrages in der Fassung der Durch­führungsvereinbarung festgelegte Selbstkostenerstattungspreis einen Wagniszuschlag vor. Dieser wurde im Zuge der Neuberechnung im Jahr 1995 für die Jahre 1989 bis 1994 rück­wirkend berechnet. Zu unterscheiden ist hierbei das sogenannte allgemeine Unternehmer­wagnis, welches nach Nr. 47 Abs. 2 LSP das Unternehmen als Ganzes gefährdet, in seiner Eigenart, in den besonderen Bedingungen des Wirtschaftszweiges oder in wirtschaftlicher Tätigkeit schlechthin begründet und durch den kalkulatorischen Gewinn abgegolten (Nr. 51 Buchst. a LSP) ist. Dieses Wagnis ist nach Nr. 52 Abs. 1 LSP in einem Hundertsatz vom be­triebsnotwendigen Vermögen oder vom Umsatz oder in einer Summe von zwei solchen Hun-dertsätzen oder in einem festen Betrag zu bemessen. Äußerst fraglich erscheint für die Kam-mer, ob bei der vorgegebenen Konstellation für das Aufgabenfeld „Abwasserreinigung“ der Beigeladenen überhaupt ein allgemeines Unternehmerwagnis bestand. Hiergegen spricht zum einen der Umstand, daß die Beklagte der Beigeladenen für eine lange Zeit- und Kalkulations­spanne die Abwasserreinigung „exklusiv“ übertragen hat. Zum anderen ist aus heutiger Sicht nicht damit zu rechnen, daß sich die zur Reinigung durch die Beigeladene zufließenden Ab-

 

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wassermengen in Zukunft derart verringern könnten, daß die Beigeladene einer als real anzu-sehenden Verlustgefahr im Sinne eines Wagnisses ausgesetzt ist.

 

Soweit die Beigeladene, wie es ihre Einlassungen zuletzt in der mündlichen Verhandlung an-deuten, Risiken im Hinblick auf einzelne mit der Leistungserstellung verbundene Verlustge-fahren (Einzelwagnisse im Sinne der Nr. 47 Abs. 3 LSP) sieht, dürfen derartige kalkulatori­sche Wagniskosten (Wagnisprämien) nach Nr. 48 Abs. 2 LSP in die Kostenrechnung einge­setzt werden, soweit sie nicht als betriebsfremd anzusehen, durch Versicherungen gedeckt oder durch anderen Kostenarten abgegolten sind. Ob die in der mündlichen Verhandlung zu­letzt genannten Wagnisse (Änderung der gesetzlichen Vorschriften, menschliches Fehlver­halten, betriebliche Störfälle) hierzu überhaupt zu zählen sind, kann dahinstehen. Es liegen keinerlei Ermittlungen über diese kalkulatorischen Wagniskosten im Sinne der Nr. 49 LSP vor. Insbesondere fehlt die getrennte Ermittlung und der eventuelle Ausgleich der Wagnisko­sten nach Wagnisarten und Kostenträgergruppen im Sinne der Nr. 49 Abs. 3 LSP.

 

Nach allem stellt sich der streitgegenständliche Gebührenbescheid vom 27. Juni 1995, geändert durch Bescheid vom 9. Februar 1996, in der Fassung des Widerspruchsbescheids vorn

3. Dezember 1996 als rechtswidrig und den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1

Satz 1 VwGO verletzend dar mit der Folge, daß er aufzuheben war.

 

Die Kosten waren nach § 154 Abs. 1 und 3 VwGO der unterlegenen Beklagten und der Beigela­denen, die Klageabweisung beantragt hat, zu gleichen Teilen aufzuerlegen.

 

Nach § 167 Abs. 2 VwGO war das Urteil - wegen der Kosten - für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Ausspruch über die Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis stützt sich auf

§ 708 Nr. 11 und § 711 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.

 

 

 

 

 

 

- Rechtsmittelbelehrung -

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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(13_010)

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Hessische Verwaltungsge­richtshof.

 

Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof muß sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevoll-mächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung.

 

Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

 

In Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts sind vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als Prozeßbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Verei-nigungen der Kriegsopfer und Behinderten zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind.

 

In Abgabenangelegenheiten sind vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als Prozeßbevoll-mächtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen.

 

In Angelegenheiten der Beamten und der damit in Zusammenhang stehenden Sozialangelegen­heiten sowie in Personalvertretungsangelegenheiten sind vor dem Hessischen Verwaltungsge­richtshof als Prozeßbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften zuge­lassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind.

 

Die Berufung ist nur zuzulassen,

 

1.   wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2.     wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten

       aufweist,

3.    wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4.    wenn das Urteil von einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichts­hofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und

       auf dieser Abweichung beruht oder

5.    wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrens­mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

 

Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Er muß das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag

sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.

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Der Antrag ist bei dem

 

Verwaltungsgericht Darmstadt

Havelstrasse 7

64295 Darmstadt

(Postanschrift: Postfach 11 14 50, 64229 Darmstadt)

 

zu stellen.

 

 

 

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