Geschäftsnummer Verkündet
am: 29.03 .2001
4
E 12/97(3) (Siegel) Kahn
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
V E R W A L
T U N G S G E R I C H T D A R M S T A D
T
(Textpassagen in rot von UWIGA
hervorgehoben, Inhalt unverändert)
I M N A M E N D E S
V O L K E S !
U R T E I L
In
dem Verwaltungsstreitverfahren
Roger-Dietrich
Metz,
Brucknerstraße
7, 64291 Darmstadt,
Kläger,
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte
Karl Weidmann und Partner,
Bahnhofstraße
50, 65185 Wiesbaden,
Gz.: - Pr-Nr. 90-1660/95 schl/sh -‚
g e g
e n
Stadt
Darmstadt, vertreten durch den Magistrat,
Luisenplatz
5 A, 64283 Darmstadt,
Gz.: - 30 Ne/schä
-‚
Beklagte,
Beigeladen:
Südhessische
Gas und Wasser AG,
vertreten
durch den Vorstand,
Frankfurter
Straße 100, 64293 Darmstadt,
Gz.: -
HA 200 -‚
w e g
e n
Kanalbenutzungsgebühren
- 2 -
hat
die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt durch
Vors.
Richterin am VG Klingspor
als
Vorsitzende
Richterin
am VG Osypka-Gandras
Richter
am VG Schecker
als
beisitzende Richter
Frau
Piscopia
Frau
Polster
als
ehrenamtliche Richterinnen
aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2001 für Recht erkannt:
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1995, geändert durch Bescheid vom 9. Februar 1996, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 1996 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens haben
die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
T A T B E S T A N D
Die
Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Kanalbenutzungsgebühren
durch die Beklagte von 7,15 DM (bis zum 31. Dezember 1994) auf 8,20 DM (ab 1.
Januar 1995).
Durch
Vertrag vom 22./24. Dezember 1988 übertrug die Beklagte der Beigeladenen, die
in dieser
Zeit
auf den Geschäftsfeldern Gas-, Wasser- und Wärmeversorgung tätig und an der die
Beklagte
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bis
zum Jahr 2000 mit mehr als 60% der Anteile beteiligt gewesen ist, die
Abwasserreinigung im Stadtgebiet der Beklagten zum 1. Januar 1989. Neben technischen
Bestimmungen enthält dieser Vertrag Regelungen über den Erwerb der städtischen
Kläranlagen, die Leistungen und Pflichten der Vertragspartner sowie die
Vergütung. In einer weiteren Vereinbarung vom 29. Januar/26. Februar 1996
(„Durchführungsvereinbarung“) werden u.a. die Vergütungsbestimmungen modi-fiziert und die rückwirkende zeitliche Abwicklung
festgelegt. Insbesondere ist dort bestimmt, daß die
Beklagte der Beigeladenen „auf Nachweis die zur Erfüllung der vertraglichen Ver-pflichtungen angefallenen Selbstkosten...
(Selbstkostenerstattungspreis)“ ersetzt.
Der
Kläger ist Eigentümer eines im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks.
Durch Bescheid vom 27. Juni 1995, 5.0250.00158.2, zog ihn die Beklagte zu
nachberechneten Kanalbenutzungsgebühren für die Zeit
vom 1. Januar 1995 bis 18. Januar 1995 heran. Die Nachforderung bezieht sich
abzüglich bereits gezahlter Gebühren lediglich auf die in der Zeit vom 1. bis
18. Januar 1995 zugrunde gelegte Frischwassermenge von
3 m3, die — mit dem ab Januar 1995 erhöhten Kubikmeterpreis
von 8,90 DM multipliziert - den Nachforderungsbetrag von 5,25 DM ergibt. Nachdem die
Stadtverordnetenversammlung der Beklagten durch Beschluß
vom 18. Ja-nuar 1996 die Kanalbenutzungsgebühr ab dem
Jahr 1995 auf 8,20 DM je Kubikmeter reduziert hatte, erteilte die Beklagte dem
Kläger unter dem 9. Februar 1996 einen „Kanalbenutzungsgebührenbescheid -
Rückerstattung“, der aufgrund der Gebührenreduzierung eine Überzahlung von 2,10
DM ausweist und die Überweisung dieses Betrages auf ein Konto des Klägers
ankündigt.
Mit
Schreiben vom 28. Juli 1995 erhob der Kläger gegen den Gebührenbescheid vom 27. .Juni 1995 insoweit Widerspruch, als darin die
Abwassergebühr rückwirkend zum 1. Januar 1995 auf
8,90
DM je Kubikmeter Frischwasser erhöht wurde. Er begründete dies zunächst mit
Presseberichten, wonach in der Gebührenkalkulation der Beklagten unberechtigte
Kostenansätze enthalten seien. Durch Bevollmächtigtenschriftsatz
vom 8. Januar 1996 ließ der Kläger seinen Wider-spruch
weiter ergänzen und vertiefen.
Nachdem der Widerspruchsausschuß der Beklagten am 16. September 1996 empfohlen hatte, dem Widerspruch abzuhelfen, wies die Beklagte den Widerspruch durch Bescheid vom 3. Dezember 1996, 30 Ne/Jü, als unbegründet zurück. Der Kläger sei vielmehr verpflichtet, unter Zugrundelegung des angefochtenen sowie des korrigierenden Bescheids vom 9. Februar 1996 und schließlich der bereits gezahlten Gebühren noch 3,15 DM nachzuzahlen. Zur Begründung stützte sich die Beklagte auf den nach ihrer Auffassung formell wie materiell rechtmäßigen Gebühren-
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bescheid
und setzte sich im Widerspruchsbescheid mit den einzelnen Rügepunkten des
Klägers auseinander. Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 12. Dezember 1996
zugestellt.
Mit
seiner Klage vom 3. Januar 1997 wendet sich der Kläger weiter gegen die Gebührenerhö-hung ab Januar 1995. Zur Begründung stützt er
sich auf sein bisheriges Vorbringen im Verwal-tungsverfahren,
das er ergänzt und vertieft. Im wesentlichen greift
der Kläger folgende Punkte an:
1. Die Übertragung der
Abwasserreinigung auf die Beigeladene bedeute keine Aufgabenüber-
tragung, sondern nur die Betrauung mit
der technischen Abwicklung. Die „Abwasserreini-gung“
bleibe weiter eine hoheitliche Aufgabe der Beklagten, und für die öffentliche Einrich-tung würden auch die allgemeinen
öffentlich-rechtlichen Grundsätze gelten. Hierzu gehörten unter anderem die
öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Preis-, Akteneinsichts- und Verga-berechts. Da die Beklagte und die Beigeladene hierzu
nicht alle erforderlichen Informationen bereitgestellt hätten, bestünden
Zweifel daran, ob diese Vorschriften eingehalten seien.
2. Dadurch, daß die
Beklagte der Beigeladenen beim Aus- und Umbau der baulichen Anlagen weitgehend
freie Hand gelassen habe, seien ungerechtfertigt hohe Investitionskosten entstan-den und in die Gebührenkalkulation eingeflossen.
Die übrigen am Verfahren Beteiligten könnten keine plausible und letztlich
zutreffende Begründung für diese erhöhten Kosten lie-fern.
3. u. 4. Sowohl die Beigeladene sei rechtlich
verpflichtet gewesen, die Baumaßnahmen auszu-schreiben,
als auch die Beklagte sei von Rechts wegen gehalten gewesen, die Leistung „Bau
und Betrieb von Klärwerkseinrichtungen“ auszuschreiben. Beides sei nicht erfolgt,
was zu überhöhten Gebühren geführt habe.
5. Entgegen
der Auffassung der Beklagten im Widerspruchsbescheid sei bei der Veräußerung
der Kläreinrichtungen ein zu niedriger Verkaufspreis ermittelt und schließlich
vereinbart worden. Auch hier wirke sich die unterlassene Ausschreibung
letztlich gebührenerhöhend aus.
6. Der Verkaufserlös aus den Kläreinrichtungen sei nicht insgesamt zeitnah dem Gebühren-haushalt gutgeschrieben worden. Zwar habe ihn die Beklagte 1989 in die Gebührenaus-gleichsrücklage eingestellt, in diesem Jahr aber nur teilweise und erst 1991 mit dem Restbetrag verwendet. Völlig unterlassen habe es die Beklagte in diesem Zusammenhang, Zinserträge aus dem nicht verbrauchten Teil der Gebührenausgleichsrücklage in die Kalkulation einzustellen. Eine Zinsgutschrift hätte auch dann erfolgen müssen, falls diese Rücklage nur buchmäßig geführt worden wäre.
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7. Die seit 1989 in der Gebührenkalkulation
berücksichtigten Bauzeitzinsen seien erst mit Beginn der Nutzung des Bauwerks
umlagefähig. Daher habe, die Beigeladene der Beklagten Bauzeitzinsen für die
Zeit von 1989 bis 1994 im Jahr 1995 zurückgezahlt.
Abgesehen davon, daß dies keinen nachvollziehbaren
Niederschlag in der Gebührenbedarfsberechnung gefunden habe, vermisse der
Kläger die - gebührenmindernde - Berücksichtigung der auf die Bauzeitzinsen entfallenen Zinsen für die zurückgehaltenen
Erstattungsbeträge. Diese seien dem Gebührenhaushalt gutzuschreiben.
8. Die Beklagte habe durch Nichterhebung von
Beiträgen ihren großen Ermessensspielraum zur Frage überschritten, ob sie die
bedeutenden Investitionen im Klärbereich nur über Gebühren, nur über Beiträge
oder über einen Mischmaßstab finanzieren wolle.
9. Der Kläger rügt die fehlende Transparenz der
spezifischen Klärwerkskosten im Aufgaben-verbund der
Beigeladenen. Da die Beigeladene sich weigere, eine Preisprüfung durch das
Regierungspräsidium zuzulassen, könnten die von ihr hierzu gemachten Angaben -
letztlich auch vom Kläger - nicht überprüft werden.
10. u. 11. Die Beklagte habe verschiedene Einzelpositionen
fehlerhaft in ihre Gebührenbedarfs-berechnung
eingestellt. Der Kläger kritisiert in diesem Zusammenhang, daß
die Beklagte verschiedene Ausschüttungen der Beigeladenen nicht
gebührenmindernd in ihre Kalkulation eingebracht habe. Mit der Bildung von
Rückstellungen könne dies nicht zufriedenstellend erklärt werden.
12. Auch für die erst im Jahr 1996 rückerstattete
Körperschaftssteuer hätten hierauf rechnerisch entfallende Zinsen dem
Gebührenzahler gutgeschrieben werden müssen.
13. u. 14. Im Hinblick auf die Verzinsung des
Eigenkapitals und den Abschreibungssatz habe die Beklagte ihre Berechnung zwar
geändert; die Korrektur und Reduzierung des Gebührensatzes von 8,90 DM auf
8,20 DM pro Kubikmeter sei allerdings nicht ausreichend.
15. Sowohl die ursprünglich in Ansatz
gebrachte als auch die nachträglich ausgehandelte Höhe der
Gemeinkostenzuschläge sei nicht gerechtfertigt. Die Vereinbarung eines
Fixbetrages sei deswegen nicht nachvollziehbar, weil die Kostenstruktur der
Beigeladenen in ihren einzelnen Abteilungen genau bekannt sein dürfte. Der
Gemeinkostenzuschlag sei daher zu berechnen oder die Höhe der Pauschale (4
Millionen DM) sei hinreichend zu erklären. Entgegen der Darstellung der
Beklagten sei nicht nachvollziehbar, daß die
rückwirkend vereinbarte Panschale zur rückwirkenden
Neuberechnung der Kostenanteile in der Gebührenbedarfsberechnung geführt habe.
Im übrigen sei der Pauschalbetrag um mindestens eine
Million DM zu hoch, was sich aus den Beratungen des sogenannten
Akteneinsichtsausschusses der Beklag
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ten ergebe. Auch dürfe weder ein
Risikozuschlag während der Bauzeit berechnet noch dieser mit der Rückzahlung
der Körperschaftssteuer verrechnet werden.
16. Die Aufteilung der Investitionskosten zwischen Einrichtungen,
die sowohl für den Klärwerksbereich als auch für
andere Betriebszweige der Beigeladenen genutzt werden, werde bestritten. Die
Schlammtrocknung sei ferner überdimensioniert ausgelegt. Die über die für die
öffentliche Einrichtung der Beklagten hinaus errichtete Kapazität dürfe
kostenmäßig nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt werden. Es seien zwar
Kapazitätsreserven in gewissem Umfang für Störfälle wie auch als
Planungsreserve zulässig. Dieses Maß sei im Fall der Darmstädter Anlage allerdings
überschritten, was sich auch daran zeige, daß dort
auch Klärschlämme aus anderen Klärwerken mit getrocknet werden sollten.
17. Die Beklagte habe fehlerhaft den
Frischwassermaßstab bei der Veranlagung zu Kanalbenutzungsgebühren
herangezogen. Dieser Veranlagungsmaßstab sei zwar für normal gelagerte
Verhältnisse, für eine homogene Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur, anerkannt.
Im Gebiet der Beklagten bestünden diese Verhältnisse aber nicht. In Darmstadt
gebe es insbesondere keine ausgeglichene Stadtstruktur mit entsprechend
typischem Grad der Versiegelung. Dies habe die Beklagte bereits im Mai 1995 veranlaßt, alle versiegelten Flächen zu erfassen, um den
Versiegelungsmaßstab in die Satzung über die Entwässerungsgebühren
einzubeziehen. Dies sei jedoch bis zum heutigen Tag gestoppt. Des weiteren seien die Darmstädter Verhältnisse geprägt durch
die Einleitung erheblicher Wassermengen aus Hausdrainagen und aus verschiedenen
Oberflächengewässern. Schließlich gebe die Beklagte ihren städtischen Anteil
befestigter öffentlicher Flächen mit 10,4 % bzw. jetzt 12 % an, ohne daß dem Kläger dies belegt werde. Die vorliegenden
Gebührenbedarfsberechnungen seien insoweit nicht ohne weiteres nachvollziehbar
und enthielten Unklarheiten.
18. Die Beklagte habe zu Unrecht einen
Wagniszuschlag in die Gebührenbedarfsberechnung eingestellt. Dieser sei zwar im
Grundsatz zulässig, aber im hier gegebenen Fall, in dem die Beklagte der
Beigeladenen gegenüber verpflichtet sei, alle Kosten der Abwasserreinigung zu
erstatten, nicht akzeptabel. Insoweit sei überhaupt kein Wagnis vorhanden.
Dementsprechend seien die Gemeinkosten um diesen Aufschlag für
Unternehmerwagnis zu reduzieren.
19. Wie unter Nr. 17 dargelegt, bestünden
Diskrepanzen in den Wassermengen. Die sogenannten „Fremdmengen“ aus den Bächen
sowie das Grundwasser müßten hier berücksichtigt
werden. Auch der Eigenanteil der Beklagten sei zu niedrig angesetzt.
Schließlich sei das Gutachten der Technischen Hochschule Darmstadt aus dem Jahr
1987 zu überprüfen, das die Kosten der Reinigung der Niederschlagsmengen zu
gering veranschlage.
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Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1995,
geändert durch Bescheid vorn 9. Februar 1996, in der Fassung des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 3. Dezember 1996 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die
Beklagte tritt dem klägerischen Vortrag unter Vertiefung und Ergänzung der
Begründung ih-res Widerspruchsbescheides im wesentlichen wie folgt entgegen:
zu
1. Die rechtlich zulässige Übertragung
der Abwasserreinigung auf die Beigeladenen habe
zu
keinen unzulässig höheren Abwassergebühren geführt. Mit diesem Punkt setz~ sich
auch der Widerspruchsbescheid eingehend auseinander.
zu 2. Entgegen
der Auffassung des Klägers sei die Klärwerkseinrichtung nicht überdimensioniert.
Insbesondere ließen sich die entsprechenden Behauptungen des Klägers nicht aus
den vorliegenden Zahlen des Zahlenspiegels und den Planungswerten entnehmen.
Hierbei sei
insbesondere
zu beachten, daß zulässigerweise eingestellte
Planungsreserven und die Tat-
sache, daß
über einen überschaubaren Zeitraum kein weiterer Investitionsbedarf bestehe,
nicht
zwingend auf eine Überdimensionierung oder Fehlkalkulation hinweisen würden.
zu 6. Ergänzend
zum Widerspruchsbescheid sei darauf hinzuweisen, daß
der Veräußerungsgewinn im Rechnungsergebnis 1989
ausgewiesen und demnach dem Gebührenhaushalt zugeführt worden sei. Soweit er
mit einem ganz geringen Betrag nicht zur Abdeckung des Fehlbetrages in 1989 Verwendung
gefunden habe, sei er der Gebührenausgleichsrücklage zugeführt worden. In
diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß die Gebührenrücklage als Termingeld zinsbringend angelegt
gewesen sei, was in die Gebührenkalkulation gebührenmindernd eingeflossen sei..
zu 7. Entgegen
der Behauptung des Klägers ergebe sich aus der Gebührenbedarfsberechnung
der
Jahre 1995 bis 1997, daß die erstatteten
Bauzeitzinsen in diese Kalkulationen eingerechnet worden seien.
zu 8. Die Beklagte habe ihr Ermessen dahingehend, ob
sie über Beiträge oder Gebühren finanziere, fehlerfrei ausgeübt.
zu 11. In Ergänzung zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid sei darauf hinzuweisen,
- 8 -
daß die „Sonderausschüttung“ der Beigeladenen dieser im Wege einer Kapitalerhöhung wieder zugute gekommen sei. Ob allerdings diese „Sonderausschüttung“ wie auch (sonstige) „Ausschüttungen“ aus dem Geschäftszweig „Abwasserbeseitigung“ der Beigeladenen stamme, könne nicht die Beklagte, sondern vielmehr nur die Beigeladene beantworten.
zu
14. Klarstellend sei noch einmal darauf
hinzuweisen, daß in der Gebührenbedarfsberechnung
nicht auf den Wiederbeschaffungswert, sondern auf
den Anschaffungswert abgeschrieben
worden sei. Dieser Umstand habe nicht zu der
Gebührensenkung von 8,90 DM auf
8,20 DM je Kubikmeter geführt, sondern dazu, daß der ursprüngliche Satz nicht auf
9,30 DM pro Kubikmeter gestiegen sei.
zu
15. Entgegen den Einlassungen des Klägers
sei festzuhalten, daß in Folge der Rückrech-
nung der Verwaltungs- und
Gemeinkosten und insbesondere der Umstellung auf die „LSP-Regeln“ ein
Erstattungsbetrag in Höhe von ungefähr 1,9 Millionen DM der Gebüh-renausgleichsrücklage
zugeführt worden sei.
zu
16. Nach detaillierten Angaben der
Beigeladenen, an der die Beklagte keinerlei Zweifel
habe, würden die Investitions- und Folgekosten für die Betriebsgebäude des Zentralklär-werks entsprechend ihrer Nutzungsanteile für die Abteilung „Abwasserbeseitigung“in die Gebührenberechnung eingestellt. Die nicht für diesen Bereich genutzten Räumlichkeiten würden entsprechend nicht in die Abwasserkalkulation eingestellt. Im Hinblick auf den Vorwurf der Überdimensionierung verwechsele der Kläger diesen Begriff mit den erfor-derlichen und zulässigen Leistungsreserven. Sowohl im Hinblick auf technische Störun-gen als auch vorausschauende Planungen sei es erforderlich, diese Leistungsreserven vor-zuhalten, die deswegen auch in die Gebührenkalkulation einfließen dürften.
zu
17. und 19. Nach wie vor sei davon
auszugehen, daß auch für das Stadtgebiet der
Beklagten
eine ungefähr gleichbleibende Relation bestehe zwischen dem von den Grundstücken ein-geleiteten Schmutz- und dem Niederschlagwasser. Der Kläger sei darauf hinzuweisen, daß die Einleitung von Grundwasser über Hausdrainagen gebührenpflichtig sei. Hierüber würden auch Gebührenbescheide gefertigt.
Schließlich
sei der von der Beklagten im Jahr 1985 ermittelte Eigenanteil an den Kosten der
Abwasserbeseitigung in Höhe von 10,4 % zutreffend auf der Grundlage des Anteils
der Regenwasserbeseitigung der öffentlichen Verkehrsflächen an den gesamten Abwas-sermengen ermittelt. In diesem Zusammenhang sei auch
auf das von der Technischen Hochschule Darmstadt im Jahr 1987 erstellte
Gutachten über die Kostenermittlung der Niederschlagwasserbeseitigung
hinzuweisen, das zu dem Ergebnis gekommen sei, der
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Kostenanteil der
Niederschlagwasserbeseitigung, gemessen an den Gesamtkosten, betrage rund 14 %. Die Neuberechnung und Festsetzung des
städtischen Eigenanteils sei dann mit der Bedarfsberechnung für die Jahre 1995
bis 1997 erfolgt.
Die
mit Kammerbeschluß vom 25. Februar 1997 Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie
ergänzt und vertieft das Vorbringen der Beklagten, das sie mitträgt und stützt.
Mit
Beschlüssen vom 4. Februar 1997 und 1. Dezember 1999 ist jeweils festgestellt
worden, daß die damaligen Kammervorsitzenden wegen
Besorgnis der Befangenheit von der Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen sind.
Mit
Auflagenbeschluß vom 23. Dezember 1999 hat die Kammer
der Beklagten und der Beigeladenen aufgegeben, verschiedene der
Gebührenkalkulation zugrundeliegende Berechnungen und Kalkulationsbestandteile
für die Abrechnungsjahre 1995 bis 1997 ebenso vorzulegen wie Genehmigungsunterlagen
für die Erweiterung des Klärwerks Mainzer Straße und die Erweiterung des
Zentralklärwerks.
Wegen
weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt und dem Vorbringen der Beteiligten wird
auf den Inhalt der Gerichtsakten mit zahl- und umfangreichen Unterlagen, die
die Beteiligten zur Stüt-zung ihres Sachvortrags und
in Erfüllung des Auflagenbeschlusses vom 23. Dezember 1999 bei -gebracht haben,
ebenso Bezug genommen wie auf die zumeist in Kopie vorgelegten Akten der
Beklagten (8 Hefter) sowie die 8 von der Beigeladenen vorgelegten Ordner mit
Bau- und Kal-kulationsunterlagen. Diese sind sämtlich
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung am 29. März 2001 gewesen.
Dabei hat das Gericht diese Klage gemeinsam mit den Verfahren 4 E 970/92(3), 4
E 1131/92(3) und 4 E 2445/96(3) verhandelt.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
Die
Klage ist zulässig, insbesondere statthaft als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1
VwGO. Mit ihr begehrt der Kläger die Aufhebung des Gebührenbescheides vom 27.
Juni 1995 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 9. Februar 1996. Bereits im
Widerspruchsverfahren hatte sich der ursprünglich mit Bescheid aus 1995
nachgeforderte Gebührenbetrag infolge des genannten Änderungsbescheides aus
1996 vermindert, so daß Gegenstand der erhobenen
Klage der ursprüngliche Gebührenbescheid lediglich in der Höhe eines
Gebührenrestes von 3,15 DM ist.
Die
Anfechtungsklage ist auch begründet.
Der
streitgegenständliche Gebührenbescheid der Beklagten ist rechtswidrig und
verletzt den
Kläger
in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
In
formeller Hinsicht bestehen gegen den streitgegenständlichen Bescheid keine
rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist letztlich nicht zu beanstanden, daß der Bescheiderteilung durch
die Beklagte (privatrechtliche) Rechnungen der Beigeladenen an den Kläger und
die übrigen Nutzer der
öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ der Beklagten bis etwa 1995 vorausgegangen waren. Nach Auffassung der Kammer ist diese besondere Form der Anforderung von Abwasser-gebühren durch die Beigeladene im Auftrag der Beklagten kein Indiz oder gar Beleg dafür, daß die Beklagte die öffentliche Aufgabe „Abwasserbeseitigung“ der Beigeladenen völlig übertragen haben könnte, wie dies der Kläger andeutet. Diese einem Inkasso vergleichbare Praxis diente nach den insoweit plausiblen und glaubhaften Bekundungen der Beigeladenen und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung der Vereinfachung und Beschleunigung des Abrechnungsverfah-rens, zumal die Beigeladene dem Kläger und ihren übrigen Kunden ohnehin Rechnungen für den Bezug von Trinkwasser und zum Teil auch Gas zuschicken mußte. In diesen Rechnungen waren dann im Einzelfall - bis zur Umstellung des Abrechnungsverfahrens etwa im Jahr 1995 - auch die Entgelte für die Abwasserbeseitigung enthalten, die wiederum an die Beklagte abgeführt wurden.
Beleg
für die öffentlich-rechtliche Gebührenerhebung der Beklagten im Hinblick auf
die Benut-zung der öffentlichen Einrichtung
„Abwasserbeseitigung“ ist der Umstand, daß die
Beigeladene in den Fällen, in denen sich die Nutzer der öffentlichen
Einrichtung gegen die zunächst verschickten (privatrechtlichen) Rechnungen
wandten, den Vorgang der Beklagten zuleitete, die
- 11 -
ihrerseits
dann Gebührenbescheide erließ und für den Fall, daß
hiergegen Widerspruch erhoben
wurde,
auch das Widerspruchsverfahren - so wie in dem hier zu beurteilenden Fall -
durchführ-
te.
Auch
im übrigen ist der streitgegenständliche Bescheid in
formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Nach
§ 10 Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG) können unter anderem die
Gemeinden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme ihrer öffentlichen
Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben, wofür nach § 2 Satz 1 KAG
grundsätzlich eine hierauf gerichtete kommunale Satzung erforderlich ist, die
nach Satz 2 dieser Rechtsvorschrift den Kreis der Abgabenpflichtigen, den die
Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den
Zeitpunkt der Entstehung und der Fälligkeit der Schuld bestimmen. Bezogen auf
den hier zu entscheidenden Sachverhalt hat die Beklagte diese gesetzlichen
Anforderungen an eine Abgabensatzung erfüllt.
Dem
Gebührenbescheid ist außerdem hinreichend deutlich zu entnehmen, welche
Gebühren die Beklagte vom Kläger für den Zeitraum ab 1. Januar 1995 aufgrund
einer Erhöhung der Einheitsgebühr für Abwasser von
7,15 DM pro Kubikmeter auf 8,90 DM pro Kubikmeter, später reduziert auf 8,20
DM pro Kubikmeter, verlangt. Diese Nachforderung beträgt unter Berücksichtigung
des Änderungsbescheids vom 9. Februar 1996 insgesamt 3,15 DM.
Dieser
Gebührennachforderung mangelt es allerdings an der erforderlichen wirksamen
Ermächtigungsgrundlage. Entgegen ihrer Auffassung kann sich die Beklagte bei
ihrer Gebührennachforderung nicht stützen auf das Gesetz über kommunale
Abgaben (KAG) in Verbindung mit ihrer Satzung über die Entwässerung der
Grundstücke in der Stadt Darmstadt (EWS) vom 18. Juli 1972 in der Fassung vom
19. Januar 1996. Die hier streitige Gebührenerhebung
ist wegen Verstoßes gegen gesetzlich normierte
Grundsätze des Benutzungsgebührenrechts rechtswidrig (vgl. unten zu 1.),
beruht auf einer systematisch fehlerhaften Gebührenkalkulation (2.) und
begegnet im Hinblick auf verschiedene in die Gebührenberechnung eingestellte
Kostenpositionen deutlichen rechtlichen Bedenken (3.).
1. Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte es
im Ergebnis nicht zu beanstanden sein, daß
die
Investitionskosten für den Umbau der - früher städtischen, heute im Eigentum
der Beigeladenen stehenden - Klärwerke nicht über Beiträge, sondern über
Benutzungsgebühren abgelastet wurden. Zwar schreibt §
34 Abs. 2 EWS vor, daß die „Kosten für die Herstellung
(Schaffung,
- 12 -
Erweiterung
und Erneuerung) der Entwässerungsanlagen ... durch Beiträge gedeckt“. werden.
Unabhängig davon, ob es im hier maßgeblichen Kalkulationszeitraum einen
satzungsmäßig festgelegten, hierfür geeigneten Beitragsmaßstab gegeben hat,
ist schon fraglich, ob die im Eigentum der Beigeladenen stehenden und von ihr
betriebenen Klärwerke als Entwässerungsanlagen i. S.
d. Satzungsbestimmung anzusehen sind. Eindeutig
oder gar rechtlich zwingend erscheint diese Auslegung nicht.
Ein
weiterer Umstand spricht gegen die Annahme, daß die
von der Beigeladenen aufgewendeten Investitionskosten nach § 34 Abs. 2 EWS
zwingend über Beiträge abzurechnen sind: Nach dem zwischen Beklagter und
Beigeladener vertraglich vereinbarten Modell der Abwasserreinigung wird der
Aufwand für Neu- und Umbau der Klärwerkseinrichtungen nicht direkt abgerechnet
und in den Gebührenhaushalt der Beklagten eingestellt. Vielmehr fließen diese
Aufwendungen als kalkulatorischer Kostenbestandteil (Abschreibung und
Verzinsung) entsprechend der Nutzungsdauer dieser Anlagen in die für die
Abwasserreinigung an die Beigeladene zu zahlende „Erstattung ... für Betriebskosten Kläranlagen“ein.
Dieser Frage brauchte allerdings, im Hinblick auf die nachfolgenden
Ausführungen nicht weiter nachgegangen zu werden.
Die
hier von der Kammer zu beurteilende Erhebung von Abwassergebühren durch die
Beklagte verstößt gegen den Grundsatz der Gebührengerechtigkeit, der eine
besondere Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG auf dem Gebiet des
Benutzungsgebührenrechts darstellt. Dieses Prinzip gebietet es, Gleiches gleich
aber auch Ungleiches seiner besonderen Eigenart entsprechend verschieden zu
behandeln (BVerwG, St. Rspr.: u. a. Beschl. v. 28.
März 1995, NVwZRR 1995, 594 m. w. N.;
Hess. VGH, Beschl. v. 15. April 1977, KStZ
1979, 13). Nach den hier-zu vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und
Lehre ist dem kommunalen Satzungsgeber auch unter dem Gebot des
Gleichheitsgrundsatzes eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Rechtlich
erforderlich ist dabei nicht, daß er im einzelnen die
zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Art der Gebührenerhebung
statuiert; das Gleichbehandlungsprinzip verbietet es lediglich, im wesentlichen
gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich zu behandeln. Unter dieser Auslegung
des Gleichheitssatzes als einem Willkürverbot bleibt dem Satzungsgeber ein weiter
Gestaltungsrahmen, der vom Gericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob die
äußersten
rechtlichen Grenzen eingehalten sind. So darf er im Abgabenrecht insbesondere zu Gunsten höherer Verwaltungspraktikabilität abgabenrechtlich bedeutsame Tatbestände verallgemeinern und pauschalieren. Der hiermit beschriebene Begriff der Typengerechtigkeit läßt es zu, bei der Abgabenerhebung an die typischen, die Regelfälle eines Bereichs anzuknüpfen und die eher atypischen Einzelfülle dabei außer Betracht zu lassen. Diese Typisierung findet allerdings insbesonde-
- 13 -
re dort ihre rechtliche Grenze, wo die mit der Typisierung notwendigerweise verbundene Ungleichheit der Belastung dazu führt, daß nicht nur vereinzelte, sondern Abgabenschuldner gruppen- oder reihenweise im Vergleich zu anderen stärker belastet werden (vgl. insgesamt: Dahmen in Driehaus, Kommunalabgabenrecht — Stand: September 2000 -‚ Rdnr. 78 ff. zu § 4 m. w. N.).
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Grenze der rechtlich noch zulässigen Typisierung in aller Regel dann eingehalten, wenn nicht mehr als 10 vom Hundert der von, der
jeweiligen Regelung betroffenen Fälle dem angenommenen Typus widersprechen (BVerwG, B. v. 19. September 1983, BVerwGE 68, 36). Die erkennende Kammer folgt dieser Grenzziehung in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Urt. v. 14. Juli 1992, KStZ 1993, 16).
Nach dem bisher Gesagten ist der kommunale Satzungsgeber damit aufgrund des Gleichheitssatzes verpflichtet, die Typengerechtigkeit, insbesondere die gewählte Maßstabsregelung zu modifizieren und zu differenzieren, wenn die dargelegte Zulässigkeitsgrenze überschritten ist.
Diesem rechtlichen Gebot ist die Beklagte bei der Festlegung des der
Abwassergebühr zugrunde
gelegten Maßstabes nicht nachgekommen. Nach § 44
Abs. 1 EWS bemißt sich die laufende Benutzungsgebühr
nach der Abwassermenge, die auf dem angeschlossenen Grundstück regelmäßig
anfällt und die nach der Fiktion des §. 44 Abs. 2 EWS der Wassermenge
entspricht, die dem Grundstück aus öffentlichen oder privaten
Wasserversorgungsanlagen zugeführt wird. Der von der Beklagten hiermit gewählte
sogenannte Frischwassermaßstab bei der Bemessung der Abwassergebühren stellt
sich als sogenannter Wahrscheinlichkeitsmaßstab dar. Dieser ist grundsätzlich
rechtlich zulässig, solange er dem - grundsätzlich vorzuziehenden -
Wirklichkeitsmaßstab des-wegen möglichst nahe kommt, weil die dem Grundstück
zugeführte Wassermenge in etwa auch wieder als Abwasser abfließt. Unter dieser
Prämisse - aber auch nur dann - stellt sich der Frischwassermaßstab nach
gegenwärtiger Betrachtungsweise als der gerechteste und. damit rechtlich
sicherste Maßstab dar (vgl. Schulte in Driehaus, a.
a. O., Rdnr. 357 zu§ 6 m. w. N.).
Der
Frischwassermaßstab, der die Abwassergebühr nach der Menge des bezogenen
Frischwassers bemißt, läßt
diejenigen in das Kanalisationsnetz eingeleiteten Abwassermengen völlig unberücksichtigt,
die als Niederschlagwasser auf dem jeweiligen Grundstück anfallen und in die öffentliche
Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ abgeleitet werden. Dies dürfte so lange
rechtlich zulässig und vertretbar (gewesen) sein, wie die Kosten der
Abwasserbeseitigung, die über die Gebühren auf die Nutzer der Einrichtung abgelastet werden, fast ausschließlich aus der Beseitigung
des auf den Grundstücken anfallenden Schmutzwassers herrührten. Mit anderen
Worten: die Mengen des eingeleiteten Niederschlagwassers konnten und können nur
so lange unberück
-
14 -
sichtigt bleiben, wie sie im Vergleich zu den Kosten für die Schmutzwasserbeseitigung nicht ins Gewicht fielen. In diesem Zusammenhang sind Fallkonstellationen - zumeist aus der Vergangenheit - anzuführen, bei denen die bezogene Frischwassermenge deswegen einen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluß auf die zu beseitigende Menge Abwassers beispielsweise deshalb zugelassen hat, weil das Niederschlagwasser in einem ländlich strukturierten Gebiet mit einer Dachflächenentwässerung, die nicht an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen war, und mit einem äußerst geringen Grad von Bodenversiegelung im wesentlichen in der Erde versickerte.
Im übrigen berücksichtigt die alleinige Bemessung der
Abwassergebühr nach der Menge des bezogenen Frischwassers u. U. nicht mehr
hinreichend die in den zurückliegenden Jahren enorm angestiegenen Kosten zur
Beseitigung des Niederschlagwassers und die allgemeine Zunahme der versiegelten
Flächen. In diesem Zusammenhang bewertet es das Gericht als allgemein bekannt, daß die Kommunen landauf, landab deutlich höhere Kosten
auch deswegen aufzuwenden. haben, um die gestiegenen Mengen des eingeleiteten
Niederschlagwassers ordnungsgemäß zu beseitigen. In diesem Zusammenhang seien
nur die für die Schmutzwasserbeseitigung nicht oder nicht in dem verwirklichten
Umfang errichteten Regenrückhaltebecken, Regenüberlaufbauwerke, Regensammler
u. s. w. erwähnt. Es kommt hinzu, daß nach
allgemeiner Beurteilung auch eine prozentual gleiche oder ähnliche
Flächenversiegelung auf den Grundstücken angesichts gering versiegelter
Wohngrundstücke einerseits und stark versiegelter Gewerbeflächen andererseits
mit jeweils relativ verschiedenem Frischwasserverbrauch in der Regel kaum noch
innerhalb eines Abrechnungsgebiets angenommen werden kann - und dies selbst
bei kleineren Kommunen außerhalb der Ballungsräume (vgl. VG Aachen, Urt. v. 1.
September 1995, NVwZ-RR 1996, 702; Rösch, Hessisches Kommunalabgabengesetz,
3. Auflage 1997, Rdnr. 15 a. E. zu § 10).
Unter Berücksichtigung des
gesamten Vorbringens der Beteiligten und insbesondere nach Durchführung der
mündlichen Verhandlung ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß der Frischwassermaßstab aufgrund der tatsächlichen
Verhältnisse im Stadtgebiet der Beklagten kein hinreichend zuverlässiger und
rechtlich abgesicherter alleiniger Maßstab für die Bemessung der
Abwassergebühren darstellt. Für die Kammer waren in diesem Zusammenhang die
beiden folgenden Aspekte maßgebend:
a) Zum einen ist die Kammer aufgrund der im Verfahren gewonnenen
Erkenntnisse zu der
Überzeugung
gelangt, daß die Kosten für die Beseitigung des
Niederschlagwassers im Stadt-gebiet der Beklagten
nicht (mehr) derart gering und dementsprechend vernachlässigbar sind, daß die Bemessung der Abwassergebühren allein bezogen auf
den Frischwassermaßstab
-
15 -
rechtlich
zulässig wäre. Vielmehr macht der Kostenanteil zur ordnungsgemäßen Beseitigung
des Niederschlagwassers an den gesamten Abwasserbeseitigungskosten bei der
Beklagten einen deutlich ins Gewicht fallenden, nicht mehr außer
acht zu lassenden Anteil aus. Bei der Beurteilung der Frage, ab welcher
Größenordnung der genannte Kostenanteil nicht mehr nur geringfügig ist,
orientierte sich das Gericht an der von der - mittlerweile gefestigten - Recht-sprechung entwickelten 12-%-Grenze. Geringfügigkeit in
diesem Sinne ist dann gegeben, wenn der Kostenanteil der
Niederschlagwasserableitung an den der Gebührenkalkulation zugrunde gelegten
Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung bei nicht mehr als 12 vom Hundert
liegt. Ist dieser Grenzwert überschritten, ist es von Rechts wegen geboten, daß auch für die Einleitung von Niederschlagwasser
gesondert berechnete Gebühren vorgesehen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.
Juni 1972, DÖV 1972, 722, v. 25 . März 1985, NVwZ 1985, 496, und v. 27. Oktober 1998, EStT NW 1999, 406).
Bereits
im Jahr 1981 hatte der Kostenanteil der Niederschlagwasserbeseitigung im
Entwässerungsgebiet der Beklagten diese Grenze überschritten, er betrug damals
rund 14 % (vgl. Gutachten „Kostenermittlung der Niederschlagswasserbeseitigung
- Schlußbericht –“ von Professor Böhm u. a.,
Institut für Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Raumplanung an der
Technischen Hochschule Darmstadt, vom 10. November 1987, Seite 17). Unter
Berücksichtigung der oben (Seite 14) dargelegten allgemeinen Erfahrung geht
das Gericht - auch im Hinblick auf die Einlassungen der Beklagten im Termin zur
mündlichen Verhandlung - ‚davon aus, daß diese
Überschreitung der maßgeblichen 12-%-Grenze in den Folgejahren und
dementsprechend auch in dem hier zu berücksichtigenden Kalkulationszeitraum
weiter angestiegen ist. So wurden nach dem insoweit übereinstimmenden
Vorbringen aller Beteiligten insbesondere ab dem Zeitpunkt, zu dem die
Beigeladene die Klärwerke übernommen und weiter ausgebaut hatte, erhebliche
finanzielle Anstrengungen unternommen, um zu verhin-dern,
daß - wie in früheren Jahren - bei Starkregenfällen
große Mengen Abwassers, die das alte Klärwerk nicht mehr fassen konnte,
abgeschlagen und über Kanäle in der Gemarkung der Beklagten - vornehmlich in
Waldstücken - zur Versickerung gebracht wurden. Wie ein Vertreter der
Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll erläuterte, sind inzwischen
spezielle Bauwerke errichtet und es ist das alte Klärwerk umgebaut worden, um
Wassermengen, die bei starken Regenfällen oft schlagartig auftreten und von dem
Klärwerk nicht mehr im Rahmen, der zulässigen Einlaufmenge bewältigt werden
können, zunächst zurückzuhalten, um sie dann später nach dem Ende der starken
Niederschläge nach und nach wieder entsprechend der Kapazität der
Klärwerkseinrichtungen nach dorthin abzuleiten. Ne-
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16 -
ben dem umgerüsteten alten Klärwerk
stehen hierfür im Stadtgebiet der Beklagten weitere besondere Überläufe und
Rückhaltebecken zur Verfügung, ebenso entsprechend größer dimensionierte
Kanalleitungen. Außerdem gibt es im Gebiet der Beklagten mittlerweile neben dem
vorherrschenden Misch-Kanalsystem auch in einigen Wohnbereichen Trennkanalisati-on, in der Schmutz- und Regenwasser
getrennt abgeleitet wird. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß diese, zusätzlichen Investitionen in Bauwerke zur
Aufnahme von Nieder-schlagwasser nicht nur die
Gesamtkosten für die öffentliche Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ erhöhen,
sondern vielmehr auch den Kostenanteil hieran, der auf die Ableitung .des,
Niederschlagwassers entfällt.
Auf mehrfache Anfragen des Gerichts konnte die
Beklagte zunächst keine Angaben über die Entwicklung dieses Kostenanteils seit
der gutachterlichen Prüfung im Jahre 1987 machen. Sie trug in diesem
Zusammenhang vor, daß dieser Kostenanteil für die
Jahre nach 1981 nicht mehr ermittelt worden sei - und dies obwohl die
Einführung eines gesplitteten Gebühren-maßstabes (Gebührenbemessung
nach verbrauchtem Frischwasser und Grad der versiegelten Grundstücksoberfläche)
bereits begonnen hatte, dann aber - offenbar aus politischen Gründen - wieder
gestoppt worden war. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung ließ sich die Beklagte
dann dahingehend ein, daß sie von einem Anteil der
Beseitigungskosten für das Nie-derschlagwasser an den
gesamten Abwasserkosten von ungefähr 30 % ausgehe, die übrigen 70 % entfielen
auf die Beseitigung des Schmutzwassers.
Die weitere Aufklärung dieses
Kostenanteils im Sinne des § 86 VwGO
durch das Gericht war nicht erforderlich. Für die Kammer steht aufgrund der
beschriebenen Erkenntnisse fest, daß die rechtliche
bedeutsame 12-%-Grenze auf jeden Fall überschritten ist mit der Folge, daß sich die alleinige Bemessung der Abwassergebühren nach
dem Frischwasserbezug unter Außerachtlassung der auf den Grundstücken
anfallenden und der öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ zufließenden
Niederschlagwassermengen als rechtswidrig darstellt.
b) Zum anderen wird dieses Ergebnis auch durch
einen Blick auf die Siedlungs- und Versiege-lungsstruktur
der im Stadtgebiet der Beklagten liegenden Erdoberfläche bestätigt. Es spricht
viel dafür, daß die Bebauungs- und
Wasserversorgungsstruktur der Beklagten nicht derart homogen ist, daß unter Beachtung der gebührenrechtlichen Vorgaben noch
von einer hinrei-chenden Beziehung zwischen dem
Frischwasserverbrauch und der Summe der versiegelten Flächen, von denen
Niederschlagwasser abgeleitet und in die öffentliche Kanalisation einge-leitet wird, gesprochen werden kann. Für die Kammer
ist es mehr als naheliegend, daß diese Relation um so
weniger besteht, je mehr in einer Kommune städtische - oder wie bei der Be
- 17 -
klagten: großstädtische -
Strukturen bestehen. Bekanntermaßen gibt es besonders in großen Städten im
Hinblick auf Wasserverbrauch und Größe der versiegelten Flächen eine eher größere
Vielfalt als in kleineren Einheiten. Mit anderen Worten: es stehen sich größere
Gruppen von Grundstücken gegenüber, die sich im Hinblick auf die beiden
genannten Kriterien wesentlich voneinander unterscheiden, somit
unterschiedliche Grundstückstypen darstellen. Dementsprechend kann - ohne daß dies in quantitativer Hinsicht näher ermittelt werden müßte - davon ausgegangen werden, daß
gerade in Großstädten zum Beispiel einer größeren Gruppen von kleinen
Einfamilienhaus-Grundstücken eine ebenfalls größere Gruppe von Grundstücken
gegenübersteht, die bei annähernd gleichem Wasserverbrauchsverhalten im
Vergleich zur ersten Grundstücksgruppe über ein Mehrfaches der versiegelten
Fläche verfügt. Es kommt in Großstädten wie der Beklagten weiter hinzu, daß die Typengerechtigkeit durch eine ins Gewicht fallende
Zahl besonderer Grundstückstypen gestört ist, die - ohne ei-nen
entsprechenden Frischwasserbezug aufzuweisen - durch einen sehr hohen Grad
versiegelter Flächen charakterisiert ist wie zum Beispiel Lebensmittel-,
Baustoff-, Großmärkte oder Einkaufszentren des Einzelhandels (vgl. hierzu VG
Aachen a. a. O.)
2.
Mit der Einstellung der Ausgabenposition „Erstattung ... für Betriebskosten
Kläranlagen“ in den städtischen Haushalt (Kostenstelle 675100.0 im
Unterabschnitt 7000 „Abwasserbeseitigung“) hat die Beklagte im hier zu
prüfenden Zeitraum geltendes Recht verletzt. Zwar zählen zu den nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG in die
Gebührenberechnung grundsätzlich einstellbaren, Sogenannten ansatzfähigen
Kosten neben den Aufwendungen für die laufende Verwaltung und Unterhaltung
sowie angemessene Abschreibung und Verzinsung des Anlagekapitals auch „Entgelte
für in Anspruch genommene Fremdleistungen“. Dabei gilt für diese fremden
Leistungen - wie
im
übrigen auch für die von der Kommune selbst und
unmittelbar erbrachten -‚ daß sie betriebs-bedingt,
das heißt für den Betrieb der öffentlichen Einrichtung unter Beachtung der
einschlägigen gesetzlichen Vorgaben erforderlich sein müssen (vgl. HessVGH, Beschl. v. 27. April 1999, ESVGH 49, 222 m. w.
N.). Hiernach dürfen Fremdleistungsentgelte nur insoweit in die Gebührenkalkulation
eingestellt werden, als der „aus dem Wesen der Gebühr folgende Grundsatz der
Erforderlichkeit der Kosten als Ausprägung des allgemeinen abgabenrechtlichen
Gebots der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung“ (HessVGH a. a. O.) beachtet worden ist. Dies bedeutet umgekehrt, daß die
entsorgungspflichtige Körperschaft nicht alle an Dritte nach den
von ihr mit diesen geschlossenen Fremdleistungsverträgen zu
zahlenden Kosten - quasi unbesehen - umlegen und den Gebührenzahlern anlasten
darf.
- 18 -
Zur
Frage der Erforderlichkeit von Fremdleistungsentgelten hat die Rechtsprechung
unterschiedlich ausdifferenzierte Prüfungskriterien geschaffen (vgl.
insgesamt: Schulte in Driehaus a. a.O.,Rdnr. 114 ff. zu § 6 m. w. N.):
a) Das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein hatte
in einer einzelnen Entscheidung die Rechtspflicht statuiert, wonach die
entsorgungspflichtige Körperschaft vor der Beauftragung Dritter mit der
Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben (z. B. Abfallentsorgung) grundsätzlich zu
prüfen habe, ob sie ihre Aufgabe nicht in eigener Regie kostengünstiger erfüllen
könne. Zu diesem Zweck habe sie eine Wirtschaftlichkeitsberechnung anzustellen.
Die rechtliche Möglichkeit, sich Dritter bei der Erfüllung eigener Aufgaben zu
bedienen, dürfe nicht dazu führen, daß die dadurch
entstehenden Kosten ohne Rücksicht auf ihre Höhe auf die Gebührenzahler abgelastet werden. Mehrkosten, die allein durch die
Beauftragung außerhalb der Verwaltung stehender Dritter entstünden, seien
grundsätzlich keine für die Leistungserbringung erforderlichen Kosten und
damit nicht umlegungsfähig. Die öffentliche Hand dürfe sich den Regelungen des
materiellen Haushalts- sowie des Abgabenrechts weder. dadurch entziehen, daß sie das Nutzungsverhältnis privat-rechtlich ausgestalte
oder öffentli-che Aufgaben privatisiere noch durch
die vollumfängliche Beauftragung Dritter. Zwar sei bei der Vergabe von
Einzelaufträgen an Dritte bei Bestehen von Markt- oder Wettbewerbspreisen
davon auszugehen, daß diese Fremdkosten die
Selbstkosten der öffentlichen Hand regelmäßig unterschritten - insbesondere
dann, wenn die Körperschaft weder über das notwendige Gerät noch über das
erforderliche Personal verfüge. Anders sei es
allerdings zu beurteilen, wenn die Erfüllung der Aufgabe der öffentlichen Hand
eine kontinuierliche Leistungserbringung erfordere. Dann könne es
kostengünstiger sein, eigenes Personal vorzuhalten, eigenes Gerät anzuschaffen
und selbst die erforderlichen baulichen Investitionen zu tätigen. Habe die
Körperschaft dagegen diese Prüfung vor der Auftragerteilung
an Dritte nicht durchgeführt, folge bereits aus diesem Verstoß die Nichtigkeit
der Gebührensatzung (Schl.-Hst. OVG, Urt. v. 24. Juni
1998, KStZ 1999, 135).
b) Nach einer anderen - weniger weit
reichenden - Auffassung gebiete es der gebührenrechtliche Grundsatz der
Erforderlichkeit im Hinblick auf die in die Gebührenkalkulation eingestellten
Fremdkosten, daß eine kommunale Gebietskörperschaft vor der Vergabe von
Aufträgen an Dritte diese öffentlich ausschreibe. Hierdurch werde auch
dem haushaltsrechtlichen Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen
Haushaltsführung entsprochen; nur eine Ausschreibung, die
den Wettbewerb zwischen mehreren konkurrierenden Unternehmen ausnutze, bezwecke
und gewährleiste in der Regel einen im Vergleich zur freihändigen Vergabe von
-
19 -
Leistungen
oder Aufträgen niedrigeren Kostenaufwand. Die Einhaltung dieser Verpflichtung
vor der Vergabe von Aufträgen an Dritte sei deshalb aus gebührenrechtlichen
Erwägungen grundsätzlich unerläßlich (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 29. März 1999, DVP 1999, 301 m. w. N.; Nieders.. OVG, Urt. v. 22.
Januar 1999, NVwZ 1999, 1128 m. w. N.).
Als Konsequenz aus der an sich gebotenen aber fehlenden öffentlichen
Ausschreibung vor der Vergabe von Aufträgen an Dritte folge die generelle
Fehlerhaftigkeit des ermittelten Ge-bührenaufwandes,
das heißt die Nichtigkeit der Gebührenfestsetzung, es sei denn die entsor-gungspflichtige Körperschaft könne im Wege des
Gegenbeweises die Angemessenheit der
Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen in anderer Weise belegen.
Dieser Nachweis, daß niedrigere Entgelte für
Fremdleistungen auch bei einer Ausschreibung voraussichtlich nicht hätten
vereinbart werden können, sei in der Regel geführt, wenn der abgeschlossene
Vertrag mit dem Dritten den Vorschriften des Preisprüfungsrechts entspreche und
die Beachtung dieser Vertragsklausel durch die Einschaltung der zuständigen
Preisüberwachungsstelle für die Überprüfungen der Rechnungen des Dritten
gewährleistet sei (Nieders. OVG a. a. O. Seite 1129).
c) Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 27. April 1999,
a. a. O.) geht schließlich
davon
aus, daß das in die Gebührenkalkulation eingestellte
Fremdentgelt für Leistungen Dritter jeweils dann an der auf § 2 PreisG beruhenden Verordnung PR Nr.
30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (BAnz.
Nr. 244 vom 18. Dezember 1953) mit den in den Anlagen dazu aufgeführten Leitsätzen für
die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) zu messen ist, wenn keine
Markt- oder Wettbewerbspreise existieren oder aufgrund einer notwendigen
öffentlichen Ausschreibung ermittelt werden können (§ 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Nur
diejenigen Fremdentgelte, die dieser rechtlichen Prüfung Stand hielten, seien
erforderlich im Sinne des Gebührenrechts und damit auf die Gebührenzahler
umlagefähig.
In Anwendung dieser von der
Rechtsprechung entwickelten Antworten auf die eingangs beschriebene
Fragestellung kommt die Kammer zur Auffassung, daß
die von der Beklagten in ihre Gebührenkalkulation eingestellte „Erstattung ...
für Betriebskosten Kläranlagen“ keine auf die Gebührenpflichtigen ablastbaren erforderlichen Kosten im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG darstellen. Die
Vorschriften des Preisrechts und das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen
Haushaltsführung, das dem Gemeindehaushaltsrecht entspringt und in. § 30 der Gemeindehaushaltsverordnung
eine besondere normative Ausprägung erfahren hat, verbieten die Einstellung
dieser Kostenposition in die Gebührenkalkulation der Beklagten.
-
20 -
Bei seiner rechtlichen
Betrachtung hatte das Gericht den zwischen der Beklagten und der Beigeladenen
geschlossenen Betreibervertrag vom 22./24. Dezember
1988 in der Fassung zugrunde zu legen, die er durch die zwischen denselben
Beteiligten geschlossene Durchführungsvereinbarung vom 19. Januar/26. Februar
1996 - mit rückwirkender Gültigkeit - erhalten hat. Ausgangspunkt der
Betrachtung ist zunächst § 6 des
erstgenannten Vertrages, in welchem Preise für die
Reinigung des Abwassers vereinbart wurden, die sich weder als Markt- noch als
Wettbewerbspreise darstellen, insbesondere nicht aus einer öffentlichen
Ausschreibung hervorgegangen sind, und die sich auch nicht an den Vorschriften
des (öffentlichen) Preisrechts ausrichten. Den von der oben unter Buchst. b)
dargestellten Rechtsprechung zugelassenen Gegenbeweis im Hinblick darauf, daß die vereinbarten Preise gleichwohl erforderlich im
Sinne des Abgabenrechts seien, hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt geführt.
Zwar haben Beklagte und
Beigeladene in Art. 1 der Durchführungsvereinbarung die Vorschrift des
§
6 des Betreibervertrages rückwirkend auf das Inkrafttreten des Betreibervertrages dergestalt geändert, daß
die von der Beklagten an die Beigeladene für die Klärung der anfallenden Abwässer
zu entrichtende Vergütung nach den jeweils geltenden preisrechtlichen
Vorschriften (VO PR Nr. 30/53) zu bemessen ist. Hiernach ersetzt die Beklagte
der Beigeladenen „auf Nachweis die zur Erfüllung der vertraglichen
Verpflichtungen angefallenen Selbstkosten“ als Selbstkostenerstattungspreis im
Sinne der LSP. Diese Entgeltvereinbarung auf der
Grundlage des öffentlichen Preisrechts, insbesondere der Verordnung PR Nr.
30/53 allein führt nicht dazu, daß die derart vereinbarten
und von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Fremdentgelte ohne weiteres in
die Gebührenkalkulation der Beklagten übernommen werden
durften. Nach Auffassung der Kammer reicht es zum Nachweis der
Erforderlichkeit der Fremdleistungsentgelte allein nicht aus, die Anwendung des
öffentlichen Preisrechts, insbesondere der LSP vertraglich zu vereinba-ren. Darüber hinaus muß
die öffentliche Körperschaft, die die derart berechneten Kosten Dritter auf die
Gebührenpflichtigen umlegen will, auch alles ihr mögliche und zumutbare tun,
damit das öffentliche Preisrecht bei der Ermittlung der Fremdentgelte über die
bloße vertragliche Vereinbarung hinaus auch tatsächlich angewendet wird. Nur
wenn dies wenigstens in einer diesbezüglichen eigenen Überprüfung durch die
Kommune als Trägerin der öffentlichen Aufgabe „Abwasserbeseitigung“
festgestellt worden ist, könnten sich die an den Dritten gezahlten Entgelte als
ge-bührenfähig darstellen.
-
21 -
In dem hier zu beurteilenden Fall
wird für das Gericht, insbesondere unter dem Eindruck
der mündlichen Verhandlung, deutlich, daß die Beklagte diese Prüfung - wenn überhaupt - nicht in
dem gebotenen Umfang durchgeführt hat. Es ist vielmehr der Eindruck
entstanden, als sei der an die Beigeladene für die Abwasserreinigung zu
zahlende Preis (Kostenstelle 475100.0 „Erstattung
... für Betriebskosten
Kläranlagen“) ohne wirkliche eigene Prüfung gezahlt und in die Gebühren-kalkulation eingestellt worden. Demgegenüber
hätte die Beklagte jedoch hinreichend Grund und Veranlassung gehabt, diese
Entgelte einer eigenständigen Überprüfung zu unterziehen, wie sich aus dem
Folgenden ergibt:
Erstens spricht sehr
viel dafür, daß die Beklagte den Auftrag zur
langjährigen (d. h. zunächst auf 30 Jahre befristeten) Reinigung des in ihrem Stadtgebiet
anfallenden Abwassers unter Verstoß gegen ihre gemeindehaushaltsrechtliche
Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung derartiger Auf- träge freihändig
vergeben hat. Nach § 30 Abs. 1 der
Gemeindehaushaltsverordnung muß der Vergabe
von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorangehen „sofern nicht die Natur
des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen“. Hierbei
sind nach Absatz 2 dieser Rechtsvorschrift die von dem Minister des Innern
bekanntzugebenden Vergabegrundsätze anzuwenden. Maßgebliche Konkretisierung
dieser Vergabegrundsätze zum Zeitpunkt des Abschlusses des Betreibervertrages
waren der Gemeinsame Runderlaß „Öffentliches Auftrags
wesen; Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen (VOL)“
vom 14. .Janu-ar 1985 (StAnz. S. 365) und der Erlaß des
Hessischen Ministers des Innern „Öffentliches Auf-tragswesen;
27. Bekanntmachung nach § 30 Abs. 2 GemHVO betr. Verdingungsordnung für Leistungen -
ausgenommen Bauleistungen - (VOL)“ vom 2. Dezember 1985 (StAnz.
S. 2320), der den genannten Gemeinsamen Runderlaß als
für die Gemeinden und Gemeindeverbände verbindliche Vergabegrundsätze nach § 30 Abs. 2 der
Gemeindehaushaltsverordnung festschrieb. Die mit den erwähnten Erlassen für die
Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt verbindliche Ver-dingungsordnung
für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen (VOL) sieht in Teil A § 1 Abs. 1 vor, daß
Leistungen im Sinne der VOL - neben hier nicht interessierenden Lieferungen -
alle Leistungen sind, die nicht unter die Verdingungsordnung für Bauleistungen
(VOB) fallen.. Die von der Beklagten an die Beigeladene
vergebene Leistung „Abwasserreinigung“ ist eine derarti-ge
Leistung, insbesondere keine Bauleistung. Die anderen Ausschlußgründe des §
1 Nr. 2 VOL (Leistungen im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit) liegen
ebenfalls nicht vor. Damit ist der Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb (§ 2 Nr. 1 Abs. 1 VOL) zu beachten. § 3 Nr. 2 VOL, der mit § 30 Abs. 1 der
Gemeindehaushaltsverordnung fast identisch ist, statuiert ebenfalls die Pflicht
zur öffentlichen Ausschreibung, wenn nicht die Natur des Geschäfts oder
besondere Um-
-
22 -
stände eine Ausnahme hiervon
rechtfertigen. In § 3. Nr. 3 und 4
VOL sind derartige eine Ausnahme von der zwingenden öffentlichen Ausschreibung
rechtfertigende Umstände beschrieben. Nach Nr. 4 dieser Vorschrift soll die freihändige Vergabe einer Leistung und damit das
Absehen sowohl von einer öffentlichen als auch von einer beschränkten
Ausschreibung nur in bestimmten Situationen stattfinden, die einzeln und enumerativ
aufgeführt sind. Hierzu zählen - bezogen auf den hier zu beurteilenden Fall -
im wesentlichen folgende Ausnahmen:
Für die zu vergebende Leistung
kommt aus besonderen Gründen (z. B. besondere Erfahrungen, Zuverlässigkeit oder
Einrichtungen, bestimmte Ausführungsarten) nur ein Unternehmen in Be-tracht (§ 3
Nr. 4 Buchst. a VOL). Diese besonderen Gründe lagen bei
der Beigeladenen zum Zeitpunkt der Übertragung der Abwasserreinigung gerade
nicht vor; sie besaß zu diesem Zeit-punkt auf dem
übernommenen Tätigkeitsfeld überhaupt keine Geschäftserfahrung, sondern nahm
diese Aufgabe nach Übertragen durch die Beklagte erstmals war. Hieran
ändert auch nichts der Umstand, daß die Beigeladene nahezu sämtliche Bediensteten der
Beklagten übernommen hatte, die bisher im Bereich Abwasserreinigung tätig
waren. Zum einen bildeten diese übernommenen Mitarbeiter lediglich einen Teil
der bei der Beklagten auf diesem Arbeitsgebiet früher beschäftigten
Bediensteten. Zum anderen aber ging das übernommene
Personal im Unternehmen der Beigeladenen auf, dessen Schwerpunkte zum damaligen
Zeitpunkt jedenfalls von der Abwasser-reinigung
völlig verschiedene (Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung) waren. Bei Anlegung
objektiver Kriterien kam demnach nicht die Beigeladene als einziges Unternehmen
zur Übernahme der Leistung „Abwasserreinigung“ in Betracht; völlig fehlende
Erfahrung, Zuverlässigkeit auf diesem Tätigkeitsfeld einerseits und bis dahin
bei ihr überhaupt nicht vorhandene Einrichtungen andererseits sprachen eher
gegen die Auswahl der Beigeladenen.
Eine freihändige Vergabe kann
ferner dann stattfinden, wenn die Leistung besonders dringlich ist (Nr. 4
Buchst. f). Diese besondere Dringlichkeit ist weder ersichtlich noch
vorgetragen, kommt im übrigen auch vor dem
Hintergrund nicht in Betracht, daß die Beklagte vor
der Übertragung der Abwasserreinigung auf die Beigeladene die erforderlichen
tiefgreifenden Modernisierungs-maßnahmen an dem Klärwerk über einen gewissen
Zeitraum unterlassen hat.
Auch die anderen in Nr. 4
aufgezählten Ausnahmen vom Gebot der öffentlichen Abschreibung liegen nicht vor
oder sind von ihrem Anwendungsbereich her erst gar nicht in Betracht zu ziehen.
Im übrigen ist aus den dem
Gericht zur Verfügung gestellten Behördenunterlagen auch nicht zu entnehmen, daß die Beklagte bei der freihändigen Vergabe ihrer nach § 3 Nr. 5 VOL obliegenden
Pflicht nachgekommen wäre, aktenkundig zu machen, weshalb von einer
öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung abgesehen worden ist.
-
23 -
Zweitens hatte die
Beigeladene bereits im Vorfeld signalisiert, daß sie
sich an einer öffentlichen Ausschreibung der Leistung „Abwasserreinigung“ nicht
beteiligen werde. Dies ergibt, sich nach
dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers, der dazu aus einem Protokoll über
ein Gespräch auf Leitungsebene zwischen Beklagter und Beigeladener zitiert. Hiernach habe der damalige Vorstandsvorsitzende der
Beigeladenen unter anderem dem Dezernenten für Kämmerei und Abwasserbeseitigung
der Beklagten gegenüber ausgedrückt, daß die
Beigeladene an einer Aus-schreibung für den Betrieb
der Zentralkläranlage nicht interessiert sei und in einen solchen, öf-fentlichen Wettbewerb erst gar nicht eintreten werde.
Gerade wenn, wie hier, die Beigeladene als Vertragspartner
der Beklagten nicht an der Bildung eines Preises für die Abwasserreinigung zu
Markt- und Wettbewerbsbedingungen - aus welchen Gründen auch immer -
interessiert war, hätte sich der Beklagten nach Auffassung des Gerichts die
Notwendigkeit aufdrängen müssen, bei der rückwirkenden Änderung der Preisvorschriften
des Betreibervertrages in der Durchführungsvereinbarung
nicht nur die Anwendung des Preisrechts und der LSP, sondern darüber hinaus
auch die nötigen Kontroll- und Prüfungsrechte zu vereinbaren und in der
Folgezeit auch -quasi treuhänderisch zugunsten der Gebührenpflichtigen - wahrzunehmen.
Drittens wurde die Notwendigkeit
der Überprüfung der Kostenansätze durch die Beigeladene nach LSP noch einmal
deutlich in dem Zeitpunkt, als sich die Beigeladene
weigerte, die öffentliche Preisprüfung durch die
Preisüberwachungsstelle bei dem Regierungspräsidium Darmstadt im Hinblick auf
die im Betreibervertrag vereinbarten Preise zu
dulden. Damit ist offenkundig, daß sich die Beigeladene der unabhängigen Preisprüfung, wie
sie die erwähnte Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
(siehe oben Seite 18f.) als Nachweismöglichkeit der Erforderlichkeit der
eingestellten Fremdleistungsentgelte vorsieht, nicht
unterwerfen will. Um so
mehr hätte die Beklagte, die zum damaligen Zeitpunkt
über 60 % der Aktienanteile an der Bei-geladenen hielt, auf eine Überprüfung
der vereinbarten Selbstkostenerstattungspreise (z. B. auch durch ihr
städtisches Rechnungsprüfungsamt oder die Kämmerei) bedacht sein müssen.
Letztlich gibt es Anhaltspunkte
dafür, daß von Dienststellen der Beklagten vor Abschluß der Durchführungsvereinbarung auch Zweifel an der
Erforderlichkeit der eingestellten Kosten geäußert wurden. So legte - wiederum
- der Kläger unwidersprochen ein Zitat aus zwei Vermerken des
Rechnungsprüfungsamts der Beklagten vom 13. und 14: November 1995 vor,
in dem kon-krete Bedenken gegen den Bestandteil
„Gemeinkosten“ an dem der Beigeladenen zu zahlenden Gesamtentgelt geäußert
werden.
-
24 -
Nach diesen Darlegungen war es zur Bestimmung der
Erforderlichkeit der von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Entgelte
völlig unzureichend, daß sich die Beklagte im Betreibervertrag zum einen und der
Durchführungsvereinbarung zum anderen in gewisser Hinsicht Prüf- und
Kontrollrechte lediglich vertraglich einräumen ließ. Zum
einen dienten diese Kontrollrechte
(z. B. § 7 des Betreibervertrages) schon ihrem
Wortlaut nach eindeutig der technischen Überwa-chung
bzw. Kontrolle „technischer Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erfüllung der
Pflichten der . . (Beigeladenen) aus diesem
Vertrag“. Zum anderen nahm die Beklagte die ihr
zu-stehenden Prüfrechte im Hinblick auf die berechneten
Selbstkosten augenscheinlich überhaupt nicht
wahr. Ein Vertreter der Beklagten ließ sich auf diesbezügliche Frage des
Gerichts in der mündlichen Verhandlung dahingehend ein, daß
die Beklagte den in § 6 Abs. 1 des Betreibervertrages in der Fassung der
Durchführungsvereinbarung vereinbarten Nachweis der Selbstkosten im
Sinne des Preisrechts zu keiner Zeit von der Beigeladenen verlangt habe.
Statt dessen habe sich die Beklagte sowohl auf die
Abrechnung durch die Beigeladene als auch die von der Beige-ladenen
in Auftrag gegebenen Gutachten von Wirtschaftsprüfern verlassen. Letztere
wurden von einem Vertreter der Beklagten im Termin als „bindend“ dargestellt.
Entgegen sowohl von den
Vertretern der Beklagten als auch und insbesondere der Beigeladenen im Termin
zur mündlichen Verhandlung abgegebenen Einschätzung stellen die in Bezug genommenen
Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften „WIBERA“ und „C & L
Deutsche Revision“ nach Überzeugung der Kammer keine
objektive Überprüfung der Selbstkostenpreise der
Beigeladenen nach Preis- oder Abgabenrecht dar. Ausweislich
dieser dem Gericht in Kopie vorliegenden Gutachten war nicht die Beklagte, sondern
in jedem Fall die Beigeladene Auftraggeberin,
und diese Begutachtung fand ausdrücklich im Zusammenhang mit der Jahresabschluß-prüfung bei der Beigeladenen statt, sowie
dies im übrigen in § 6 Abs. 4 des Betreibervertrages in der Fassung der Durchführungsvereinbarung
vorgesehen ist. Unabhängig davon, daß die Beklagte
nach dieser Vereinbarung nicht Auftraggeberin für die Prüfgutachten ist und
damit auch keinerlei Einfluß
auf Einzelheiten der Prüfung nehmen kann, berührt es eigenartig, wenn die An-gemessenheit der Verwaltungs- und Gemeinkosten der
Beigeladenen nicht voll umfänglich, sondern lediglich „im Sinne von
Plausibilität“ (Gutachten z. B. WIBERA Nr. 59 0652 0 vom 16 Ja-nuar 1996 und wortgleich C & L Deutsche Revision Nr. 60
110500/3 vom 21. Mai 1999, jeweils Seite 12) und darüber hinaus bestätigt wird,
daß die eingesetzten Aufwendungen „im Einklang mit
den Ausführungsbestimmungen zu § 10
Hessisches Gesetz über kommunale Aufgaben (KAG)“ stehen (Gutachten z. B. WIBERA
Nr. 06 3069 196 vom 1. September 1997 und wort-gleich
C & L Deutsche Revision Nr. 60 11 0500/2 vom 21. Mai 1999, jeweils Seite
12). Ob die
- 25 -
von der Beigeladenen in Rechnung
gestellten Selbstkostenerstattungspreise i. S. d. LSP nach Abgabenrecht auf die
Gebührenpflichtigen umlagefähig sind, insbesondere mit den Vorschriften des
Gesetzes über kommunale Abgaben übereinstimmen, ist keine von einem Wirtschaftsprü-fungsunternehmen zu beantwortende Frage, sondern obliegt der rechtlichen Verantwortung der Beklagten,
die diese Fremdentgelte in ihre Gebührenkalkulation einstellen will. Die diesbezügli-chen Äußerungen der Wirtschaftsprüfer dürfen
deshalb von der Beklagten nicht - quasi unbese-hen -
als „bindend“‘ übernommen werden, und die Entgeltforderung darf nicht ungeprüft
in die Gebührenbedarfsberechnung einfließen.
Der Umstand, daß
die Beklagte das Fremdentgelt, das ihr die Beigeladene für die Reinigung der
Abwässer berechnete, ohne die Prüfung durch objektive und unabhängige Stellen (Preisprü-fungsbehörde, Rechnungsprüfungsamt) in ihre
Gebührenkalkulation eingestellt und auf den Kläger und die übrigen
Gebührenpflichtigen abgelastet hat, stellt einen gravierenden methodischen Fehler in der
Gebührenberechnung dar, der diese insgesamt rechtswidrig macht. Anders als
.bei Gebührensätzen, die lediglich an einzelnen
unrichtigen Kostenpositionen der Bedarfsberechnung leiden und die unter
Umständen im Rahmen einer Nachkalkulation „geheilt“ werden können, besteht
diese Möglichkeit hier nicht. Abgesehen davon, daß die Beklagte - etwa nach Durchfüh-rung
der erwähnten Überprüfung der Entgeltforderung der Beigeladenen - keine
Berichtigung ihrer Gebührenkalkulation vorgelegt hat, dürften diese
Heilungsmöglichkeiten hier wegen der systematischen
Fehlerhaftigkeit der Gebühr erst gar nicht bestehen. Ferner sieht sich
das Gericht auch nicht in der Lage - noch ist es seine Aufgabe - aus dem ihm
vorgelegten umfangreichen Berechnungsmaterial (z. B. Aktenauszüge,
Kalkulationen und Berechnungen sowie Vermerke) das gebührenrechtlich zulässige
Fremdentgelt selbst zu ermitteln.
3. Im übrigen leidet die streitgegenständliche
Gebührenerhebung nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf einzelne
Kostenpositionen an einer fehlerhaften Berechnung des Gebührenbedarfs.
a) Der gebührenrechtliche Grundsatz der Periodengerechtigkeit
stellt die gebührenfähigen Kosten im Sinne des § 10 Abs. 2 KAG als den durch die Leistungserbringung bedingten, in
Geld ausgedrückten Werteverzehr an Gütern und Dienstleistungen, soweit sie für
den Betrieb der öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ erforderlich
sind, in Bezug zu einem bestimmten Zeitrahmen, der Leistungs- bzw.
Kalkulationsperiode. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang darauf abzustellen,
ob und inwieweit gerade in diesem in Betracht genommenen Leistungszeitraum und
für die Personen, die in diesem Zeitraum die öffentliche Ein-
-
26 -
richtung gebührenpflichtig in Anspruch
nehmen, ein Güter- und Dienstleistungseinsatz stattfindet (vgl. Schulte in Driehaus a. a. O., Rdnr. 109 zu § 6
m. w. N.). Das bedeutet, daß Kosten, die nicht durch
eine gerade diesen Benutzern der öffentlichen Einrichtung - in der Lei-stungsperiode - individuell zurechenbare Leistung veranlaßt sind, bei der Gebührenbedarfs-berechnung
außer Betracht bleiben müssen (vgl. Lohmann in Driehaus
a. a. O., Rdnr. 668a zu § 6). Das letztlich aus der Verfassung abgeleitete Gebot, wonach
der Benutzungsgebühr eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung
gegenüberstehen muß (vgl. etwa BVerfG. Beschl. v. 6.
Februar 1979, NJW 1979, 1345) verbietet es nach Auffassung des Gerichts
grundsätzlich, Kostenpositionen, die in einer Leistungs-
oder Kalkulationsperiode anfallen, in
einem anderen Zeitraum auf - dann zumeist nicht mehr identische - Gebührenpflichtige abzulasten.
In
dem hier zu beurteilenden, eher seltenen Fall, in dem der Beklagten Ende 1995
aufgrund der bis in das Jahr 1989 rückwirkenden Umstellung der für die
Abwasserreinigung zu zahlenden Entgelte auf Selbstkostenpreise nach LSP
Rückerstattungen der Beigeladenen für die Kalenderjahre 1990 bis 1994
zugeflossen sind, gilt entsprechendes. Die Ende 1995 zurück-gezahlten Bauzeitzinsen für
das Zentralklärwerk und der zurückerstattete Differenzbetrag zwischen den
tatsächlich in den Jahren 1989 bis 1994 aufgrund der ursprünglichen Entgelt-vereinbarung geleisteten Zahlungen und der Rückberechnung
aufgrund der Anwendung der LSP für diese Jahre durfte nicht dem
Gebührenhaushalt und den Gebührenpflichtigen des Jahres 1995 oder 1996 zugute kommen, sondern wäre - ebenfalls rückwirkend - auf
die frü-heren Kalkulationsperioden aufzuteilen
gewesen, in denen infolge der Rückberechnung bzw. Erstattung dei Bauzeitzinsen entsprechende Guthaben kalkulatorisch
realisiert worden sind. Ordnet man die
zurückerstattenden Beträgen den einzelnen Jahren ab
1989 zu, ergeben sich für einige dieser Jahre teilweise erhebliche
Kostenüberdeckungen, im Schnitt ca. 6,7 %.
Dies ist etwa das Doppelte der Gesamtabweichung von 3 %‚ die .von der
Rechtsprechung allgemein noch als tolerabel angesehen wird (vgl. u. a. OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 5. August 1994, NVwZ 1995, 1233).
b) Es sprechen schließlich gewisse Anhaltspunkte
dafür, daß in den Fremdentgelten, die die Beklagte
in ihre Gebührenkalkulation für das Jahr 1995 eingestellt hat, Kostenanteile
enthalten
sind, die den Bau und Betrieb der Klärsch1ammbehndlungsanlage innerhalb des Klärwerk.s
zuzurechnen sind, obwohl diese nicht während der gesamten Kalkulationsperiode
in Betrieb
war. Im Rahmen des Klageverfahrens feststellbar war lediglich, daß diese Anlage irgend-
- 27 -
wann im Lauf des Jahres 1995 in Betrieb gegangen ist. Schriftsätzlich haben Beklagte bzw. Beigeladene hierfür unterschiedliche Zeitpunkte (1. Januar und 1. Dezember) angegeben.
was auch auf ein Schreibversehen bei der numerischen Darstellung des Monatsnamens zu-rückzuführen sein kann. In der mündlichen Verhandlung konnte dies nicht weiter aufgeklärt werden. Die Vertreter der Beigeladenen nannten einmal das Ende des Jahres 1995 und ein andermal den 1. September 1995 als Inbetriebnahmezeitpunkt.
Unabhängig hiervon geht das
Gericht aufgrund der nach Abschluß der mündlichen Verhandlung
vorliegenden Erkenntnisse davon aus, daß die installierte Schlammbehandlungskapazität zu einem nicht
unerheblichen Teil überdimensioniert ist mit der Folge, daß die hierauf entfallenen Kosten nicht
auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden können. Sowohl die im
Vorfeld der Errichtung dieser Anlage von der Beigeladenen in Auftrag gegebene
„Studie zur weitergehenden Klärschlammbehandlung der Klärwerke in Darmstadt“
(Ingenieurbüro für Verfahrenstechnik Dr. Born - Dr. Ermel
GmbH, Juli 1989) als auch der dieser Anlage zugrundeliegende
Genehmigungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 9. Dezember 1991
treffen Feststellungen, wonach Beigeladene und Beklagte zunächst davon aus-gegangen
waren, daß der neu errichteten
Klärschlammbehandlungsanlage auch sogenannte Fremdschlämme, das heißt
Klärschlämme von dritter, nicht der Abwasserentsorgungspflicht der Beklagten
unterliegenden Seite (z. B. Abwasserverband L., M. KGaA) zugeführt werden
sollten. Aus diesem Grund wurde die Klärschlammtrocknungsanlage über den Bedarf
der Beklagten, der sich aus den zu prognostizierenden Faulschlammengen
der städtischen Klärwerke ergibt (etwa 6.000 tTS/a),
geplant, genehmigt und gebaut. Die schließlich errichtete
Ausbaustufe II ist derart dimensioniert (etwa
9.300 tTS/a), daß die
zunächst erwarteten Fremdschlämme verarbeitet werden können. Allein hierfür
wurden beispielsweise ein zusätzlicher Bunker zur Fremdschlammannahme mit
Eingangseinrichtungen und ein zweites Zwischenlager für getrockneten Faulschlamm verwirklicht. Dadurch erhöhten sich die angenommenen
Investitionskosten gegenüber der Ausbaustufe 1 (Kapazität für die in
städtischen Klärwerken anfallenden Schlämme) um 2,6 Millionen DM (ca. 2,5 %) und
die angenomme-nen spezifischen Kosten um etwa 3,2 %
(„Studie zur weitergehenden Klärschlammbehand-lung...“,
Seite 118 f.).
Diese Mehrkapazitäten waren
Gegenstand des Genehmigungsverfahrens zur Erweiterung der Kläranlage Mainzer Straße und führten schließlich zu der
Empfehlung der Genehmigungsbehörde, „die Kapazität der
Klärschlammtrocknungsanlage zu überprüfen, da die Planung eine größere
Sicherheitsreserve beinhaltet“ (Hinweise C 3. — Seite 23). Das Gericht geht mit
der Genehmigungsbehörde davon aus, daß die
Trocknungsanlage etwa 45 % mehr Kapazität
- 28 -
(netto) hat, was heißen soll, daß diese „Reserve“ zusätzlich zu der für Störfälle und
Revisionen notwendigen Kapazität (2. Straße) vorhanden ist (Begründung Seite
43, Nr. 2).
Entgegen der in der mündlichen
Verhandlung vertretenen Auffassung der Beigeladenen, wonach die
Dimensionierung der Klärschlammbehandlungsanlage im Hinblick auf die zunächst
erwarteten Fremdschlämme nicht zu beanstanden sei, ist die Kammer der
Überzeugung, daß die beschriebene Mehrkapazität für
den ordnungsgemäßen Betrieb und die fachgerechte Behandlung der von der
Beklagten in ihrem Stadtgebiet zu entsorgenden Abwässer bzw. zu behandelnden
Schlämme nicht erforderlich ist mit der Folge, daß diese Mehrkosten nicht auf die Gebührenpflichtigen im
Stadtgebiet der Beklagten abgelastet werden dürfen.
c) Nach Durchführung des gerichtlichen
Verfahrens gibt es ferner eindeutige Hinwiese darauf, daß
es die Beklagte versäumt hat, Ausschüttungen bzw.
Dividendenzahlungen der Beigeladenen an sie als deren (Mit-) Anteilseignerin
nicht dem Haushalt-Unterabschnitt 7.000 („Abwasserbeseitigung“) gutzuschreiben,
soweit diese Erträgnisse aus dem Geschäftsbereich „Abwasserbeseitigung“ der
Beigeladenen herrühren.
Die Beigeladene hat neben
jährlichen Dividenden von 9 oder 10 % in den
Jahren 1994 und später eine einmalige Sonderausschüttung an die Beklagte in
Höhe von 50 Millionen DM geleistet. Es spricht nach Durchführung der mündlichen
Verhandlung viel dafür, daß diese Ausschüttungen zu
einem großen Anteil auf die Geschäftsfelder „Gas-, Wasser- und Wärme-versorgung“ der Beigeladenen entfallen und lediglich ein -
im Rahmen dieses Verfahrens nicht weiter aufklärbarer - Anteil der Tätigkeit
der Beigeladenen auf dem Gebiet der Abwasserreinigung zuzuordnen ist. Wie hoch
dieser aus der Abwasserreinigung herrührende Anteil ist, konnte die Beklagte -
auch in der mündlichen Verhandlung - nicht angeben. Die Beigeladene vertrat schriftsätzlich den Standpunkt, daß
durch die Vereinbarung von Selbstkostenerstattungspreisen Gewinne auf diesem
Geschäftsfeld per se ausgeschlossen seien, hielt dieses Vorbringen in der
mündlichen Verhandlung aber nicht in dem Umfang aufrecht, sondern teilte mit, daß letztlich für die Abwasserreinigung nicht durchgängig
eine spezielle und ein-deutig zugeordnete Kosten- und
Leistungsrechnung erstellt worden sei. Demzufolge könne die Frage nach dem auf
dieses Geschäftsfeld der Beigeladenen entfallenden Gewinn auch nicht
beantwortet werden. Dieser Umstand berührt zunächst eigenartig - gerade im
Hinblick auf die Größe der beigeladenen Aktiengesellschaft -‚ kann aber letztlich
auf sich beruhen.
Es ist aus
rechtlicher Sicht hervorzuheben, daß sowohl
Sonderausschüttungen als auch Dividendenzahlungen aus diesem Geschäftsbereich
als Gewinne der Beigeladenen anzusehen und nach Ausschüttung an die beklagte
Anteilseignerin auch dem Gebührenhaushalt „Abwasser
- 29 -
reinigung“ gutzuschreiben sind. Gewinne
entsorgungspflichtiger Körperschaften, die diese aus Beteiligungen an
Entsorgungsgesellschaften ziehen, müssen in der Gebührenkalkulation von den
Kosten der Einrichtung abgezogen werden, um zu verhindern, daß
sich die Kommu-ne illegale
Finanzquellen zu Lasten der Gebührenpflichtigen erschließt (OVG Meck.-Vorp., Urt. v. 7. November 1996, RAnB
1997, 179). Nach Auffassung des Gerichts muß der
Abzug dieses kalkulatorischen Gewinns von den auf die Gebührenpflichtigen
umzulegenden Kosten auch dann erfolgen, wenn - wie hier vorgetragen -
der Gewinn nach Handels- oder Steuerrecht nicht ausgeschüttet wird, sondern im
Wege des sogenannten Prinzips „Schütt-aus-hol-zurück“ zum Zwecke der
Kapitalerhöhung zurückfließt bzw. dort verbleibt. Diese - auf das Geschäftsfeld
„Abwasserreinigung“ - bezogene Kapitalerhöhung stellt
nämlich einen den Gebührenpflichtigen zuzurechnenden Wertzuwachs des
diesbezüglichen Anteils der Beklag-ten an der
Beigeladenen dar.
d) Rechtlich sehr zweifelhaft ist schließlich
der von der Beklagten übernommene Eigenanteil im Hinblick auf die Entwässerung
öffentlicher Straßen und Plätze. Auch nach Durchführung der mündlichen
Verhandlung stützt sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf Berechnungen
aus den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Hiernach habe der Anteil
öffentlicher Flächen bei 10,4 % gelegen Die Beklagte hat diesen Flächenanteil
bis 1995 ihren abzusetzenden Eigenanteilen zugrundegelegt und erst ab 1995 geschätzte
Erhöhungen vorgenom-men. Die Beklagte konnte weder im
schriftlichen noch im mündlichen Vortrag hinreichend substantiiert und nachvollziehbar
verdeutlichen, inwieweit die aus der alten Flächenberechnung entwickelten
Schätzungen den realen Gegebenheiten in den einzelnen Kalkulationsperioden
entsprochen haben.. Auch auf ausdrückliche Nachfrage
in der mündlichen Verhand-lung konnte die Beklagte
Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten hierzu nicht ausräumen, sondern teilte
lediglich mit, der Anteil privater und öffentlicher Flächen sei in etwa gleichmäßig
gestiegen. Berechnungen hierzu gebe es aber nicht. Aktuelle Zahlen hierzu lägen
nicht vor. Dies überzeugt nicht ohne
weiteres. Nach Auffassung der Kammer sind die tatsächlichen Gegebenheiten bei
der städtischen Liegenschafts- und Katasterverwaltung bekannt oder jedenfalls
zu ermitteln. Damit wäre der tatsächliche Anteil öffentlicher Flächen
berechenbar, um hinreichend wirklichkeitsnahe Daten für die Gebührenkalkulation
zu erhalten.
Rechtliche Bedenken - auf die es aber im Hinblick auf das zuvor Gesagte - nicht entscheidend ankommt, bestehen für die Kammer auch hinsichtlich weiterer in die Gebührenkalkulation der Beklagten eingestellter Kosten:
- 30 -
e) Bezüglich der Jahre 1989 bis 1994 ist nicht
nachvollziehbar, wieso die Verwaltungs- und
Gemeinkosten von der
„Ist-Abrechnung“ der Umsätze in Höhe von etwa 16,4 Millionen DM in der
Rückrechnung auf 21,8 Millionen DM gestiegen sind. Dies dürfte nicht der
pauschalen Festlegung in der Durchführungsvereinbarung auf 4 Millionen DM pro
Jahr entsprechen. Die Beigeladene hat hierzu vorgetragen, der Pauschbetrag an
Gemeinkosten werde seit Abschluß der
Durchführungsvereinbarung - auch rückwirkend - von den
beauftragten Wirtschaftsprüfern in regelmäßigen Abständen gesondert geprüft
und bestätigt. Hierzu liegen mit den oben (Seite 24f.) zitierten Gutachten aus
dem Jahre 1996 und 1999 (WIBERA, C & L) jedoch lediglich Testate vor, die
die Richtigkeit „im Sinne von Plausibilität“ und nicht einer umfassenden
Prüfung bestätigen. Auch ist in diesem Zusammenhang noch einmal, auf die
bereits oben (Seite 23) berichteten
Bedenken des Rechnungsprüfungsamtes der Beklagten vom 13. und 14. November 1995 hinzuweisen,
wonach die seitherigen Gemeinkostenzuschläge als zu hoch bewertet worden sein
sollen.
f) Die der Beklagten von der Beigeladenen
berechneten Entgelte für die Abwasserreinigung enthalten unter anderem
Kostenbestandteile, die das Unternehmenswagnis abdecken. Während der Betreibervertrag keine diesbezüglichen Kostenbestandteile
enthielt und in den Jahren 1989 bis 1994 dementsprechend auch keine diesbezüglichen
Kostenbestandteile gezahlt und abgelastet wurden,
sieht der nach § 6 des Betreibervertrages in der Fassung der Durchführungsvereinbarung
festgelegte Selbstkostenerstattungspreis einen Wagniszuschlag vor. Dieser wurde
im Zuge der Neuberechnung im Jahr 1995 für die Jahre 1989 bis 1994 rückwirkend
berechnet. Zu unterscheiden ist hierbei das sogenannte allgemeine Unternehmerwagnis, welches nach Nr. 47 Abs. 2 LSP das
Unternehmen als Ganzes gefährdet, in seiner Eigenart, in den besonderen
Bedingungen des Wirtschaftszweiges oder in wirtschaftlicher Tätigkeit
schlechthin begründet und durch den kalkulatorischen Gewinn abgegolten (Nr. 51 Buchst.
a LSP) ist. Dieses Wagnis ist nach Nr. 52 Abs. 1 LSP in einem Hundertsatz vom
betriebsnotwendigen Vermögen oder vom Umsatz oder in einer Summe von zwei
solchen Hun-dertsätzen oder in einem festen Betrag zu
bemessen. Äußerst fraglich erscheint für die Kam-mer,
ob bei der vorgegebenen Konstellation für das Aufgabenfeld „Abwasserreinigung“
der Beigeladenen überhaupt ein allgemeines Unternehmerwagnis bestand. Hiergegen
spricht zum einen der Umstand, daß die Beklagte der
Beigeladenen für eine lange Zeit- und Kalkulationsspanne
die Abwasserreinigung „exklusiv“ übertragen hat. Zum anderen ist aus heutiger
Sicht nicht damit zu rechnen, daß sich die zur
Reinigung durch die Beigeladene zufließenden Ab-
-
31 -
wassermengen in Zukunft derart verringern
könnten, daß die Beigeladene einer als real anzu-sehenden Verlustgefahr im Sinne eines Wagnisses
ausgesetzt ist.
Soweit
die Beigeladene, wie es ihre Einlassungen zuletzt in der mündlichen Verhandlung
an-deuten, Risiken im Hinblick auf einzelne mit der
Leistungserstellung verbundene Verlustge-fahren
(Einzelwagnisse im Sinne der Nr. 47 Abs. 3 LSP) sieht, dürfen derartige kalkulatorische
Wagniskosten (Wagnisprämien) nach Nr. 48 Abs. 2 LSP in die Kostenrechnung eingesetzt
werden, soweit sie nicht als betriebsfremd anzusehen, durch Versicherungen
gedeckt oder durch anderen Kostenarten abgegolten sind. Ob die in der
mündlichen Verhandlung zuletzt genannten Wagnisse (Änderung der gesetzlichen
Vorschriften, menschliches Fehlverhalten, betriebliche Störfälle) hierzu
überhaupt zu zählen sind, kann dahinstehen. Es liegen keinerlei Ermittlungen
über diese kalkulatorischen Wagniskosten im Sinne der Nr. 49 LSP vor.
Insbesondere fehlt die getrennte Ermittlung und der
eventuelle Ausgleich der Wagniskosten nach Wagnisarten und Kostenträgergruppen
im Sinne der Nr. 49 Abs. 3 LSP.
Nach
allem stellt sich der streitgegenständliche Gebührenbescheid vom 27. Juni 1995,
geändert durch Bescheid vom 9. Februar 1996, in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vorn
3.
Dezember 1996 als rechtswidrig und den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO verletzend dar mit der Folge, daß er aufzuheben war.
Die Kosten waren nach § 154 Abs. 1 und 3 VwGO der
unterlegenen Beklagten und der Beigeladenen, die Klageabweisung beantragt hat,
zu gleichen Teilen aufzuerlegen.
Nach § 167 Abs. 2 VwGO war das
Urteil - wegen der Kosten - für
vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Ausspruch über die Sicherheitsleistung
und Abwendungsbefugnis stützt sich auf
§ 708 Nr. 11 und § 711 ZPO i. V.
m. § 167 VwGO.
- Rechtsmittelbelehrung -
-
32 -
(13_010)
Gegen
dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung
der Berufung beantragt werden. Über die Zulassung der Berufung entscheidet der
Hessische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
muß sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag
stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen
Hochschule als Bevoll-mächtigten vertreten lassen. Dies
gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung.
Juristische Personen des
öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte
mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten
lassen.
In Angelegenheiten der
Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in
Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts sind vor dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof als Prozeßbevollmächtigte
auch Mitglieder und Angestellte von Verei-nigungen
der Kriegsopfer und Behinderten zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder
Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind.
In Abgabenangelegenheiten sind
vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als Prozeßbevoll-mächtigte
auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen.
In Angelegenheiten der Beamten
und der damit in Zusammenhang stehenden Sozialangelegenheiten sowie in
Personalvertretungsangelegenheiten sind vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
als Prozeßbevollmächtigte auch Mitglieder und
Angestellte von Gewerkschaften zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder
Vollmacht zur Vertretung befugt sind.
Die Berufung ist nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des
Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts abweicht und
auf
dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des
Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Antrag ist schriftlich zu
stellen. Er muß das angefochtene Urteil bezeichnen.
In dem Antrag
sind die Gründe, aus denen die
Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
-
33 -
Der Antrag ist bei dem
Verwaltungsgericht
Darmstadt
Havelstrasse
7
64295 Darmstadt
(Postanschrift:
Postfach 11 14 50, 64229 Darmstadt)
zu stellen.
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