
Vorwort: Meine gerügte Rede zum Aldi2 in Arheilgen veröffentlichen wir hier, um
jeder, jedem Gelegenheit zu geben, unseren als Fraktionsvorsitzenden wegen
Beleidigung anzuzeigen. Die Rede wurde genau so wie geschrieben vorgetragen.
Stadtverordneter Helmut Klett UWIGA/WGD
Heute rede ich vorlesend zu einem Projekt, das ich wegen seiner Missachtung von
Nachbarrechten, Bürgerwille, Moral und Einfühlsamkeit nie hätte mir bei einer Kommune
vorstellen können.
Lesend – was ich sonst vermeide -, damit Sie ALLE ohne Forderung nach Abschriften dies
dokumentiert bekommen können.
Was ich dazu sage, steht zudem alles bereits in Presseerklärungen von uns. Wir waren unter
den ersten, die als Stadtverordnete und Mitglieder vehement gegen diese würdelose und
kaltschnäuzige Durchsetzung eines für Arheilgen euphemistisch als beglückend titulierten
Unterfangens waren.
Insoweit finde ich es bedauerlich, dass das Echo nur bräsige Worte zur Rolle von Erich Bauer
gefunden hat, nicht aber zur UWIGA insgesamt, die das Aldi-Objekt schon immer heftigst
kritisiert hat.
Eingehen werde ich nicht auf die Bauform und dessen Ästhetik, da mag viel im Auge des
Betrachters liegen. Auch nicht, dass damit der aufwändigen und für manche teuer zu
stehende Ortskernsanierung buchstäblich in den A…Hintern getreten wird !!
Attribute und Adjektive das Bauwerk selbst betreffend, werde ich nicht hier vortragen. Das tun
andere schon glücklicherweise genügend
Die Schlagworte kennen Sie alle: Flächenversiegelung, kaputtes Kleinklima, Verkehrschaos,
inzwischen auch von der Polizei befürchtet, die SPD rechnet mit der Verdrängung etablierter
Einzelhändler, der Gewerbeverein ist dagegen, und last not least: selbst die CDU Arheilgen
ist seit Mai 2020 öffentlich dagegen.
Warum aber ist dieses Vorhaben würdelos und unmoralisch, zutiefst inhuman und
menschenverachtend?
Da wird auf einen gültigen bestehenden Bebauungsplan ein vorhabenbezogener B-Plan
darübergestülpt, um einem Milliardär eine weitere Verkaufsstelle zu ermöglichen.
Das wäre weiter nicht tragisch, wenn sich diese zumindest in den Rahmen eines solchen B-
Planes einfügen würde. Zu ergänzen wäre, dass das Instrument „vorh. bezogener B-Plan“
eigentlich für die übergetretene DDR geschaffen wurde, um dort fehlendes Baurecht
rechtssicher zu etablieren.
Nein, es wird mittels dieses eigentlich hierzulande nicht so vorgesehenen Rechtes ein
Sonderrecht geschaffen, dass Aldi ermöglicht, rundum über 4 Meter hoch auf die
Grundstücksgrenzen zu bauen, ohne jegliche Rücksicht auf die Nachbarn!
Nebenbei: der als geniales Aperçu gedachte, hochgelobte Wohnungsbau im OG empfinde ich
als unangemessenen Ablasshandel, um dem Bürger Honig ums Maul schmieren zu können!
Baurechtlich anzumerken wäre, Baulinien verfolgten den Zweck z.B. Randbebauungen an
Straßen nicht als Zahnlückenfront, sondern als geschlossene Raumwand vorzuschreiben. Ein
solches Instrument individuell auf ein Grundstück rundum anzuwenden, ist
rechtsmissbräuchlich und völlig überzogen.
Eine weitere Presseerklärung von mir zum Folgenden unter der Headline „Nepper, Schlepper,
Bauernfänger“
Das hohe Gut der nachbarschaftsschützenden Belange wie die Abstandsflächen laut HBO,
wird einfach ignoriert. Die Nachbarn werden nicht einmal korrekt objektiv darüber aufgeklärt.
Ich war bei einem solchen Gespräch auf Bitte des Nachbarn anwesend.
Zwei Herren vom Stadtplanungsamt tauchten selbstbewusst auf und versuchten dem
Nachbarn aufzuschwatzen, eine Verwechslung von Baugrenze und Baulinie sei leider dem
Planungsbüro versehentlich passiert. Die Unterschrift vom Nachbarn zur rechtssicheren
Mutation von Baugrenze zur Baulinie sei eher eine lästige Formsache.
Das alles – ohne jegliche Scham – kaltschnäuzig vorgetragen. Natürlich klärte ich unter den
Augen der zwei Herren den Nachbarn auf, dass da erhebliche Unterschiede seien. Bei der
Baugrenze muss der Nachbarn mit der Grenzbebauung einverstanden sein, bei der Baulinie
ist der arme Bauherr Aldi praktisch leider, leider qua Gesetz gezwungen, bis an diese
Grenzlinie zu bauen.
Belohnt werden sollte der Nachbar noch vom mit dem zynisch gnädigen Zugeständnis: Das
ein paar Meter lange Garten-Mauer-Stück mit ca. 2,80 Meter Höhe müssen Sie dann nicht wie
im B-Plan vorgeschrieben bis auf 2 Meter Höhe abreißen, das kann so als Ausnahme
bauaufsichtlich stehen bleiben. Hinterhältiger geht es meiner Ansicht eigentlich nicht.
Eine meiner weiteren Headlines zu einer PM lautete:
„Was hat der kategorische Imperativ von Kant mit Aldi zu tun?“
Also: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein
allgemeines Gesetz werde.“
Setzt man diese moralische Wertung an, die ja zugleich den Ethos unseres Grundgesetzes
widerspiegelt, kann Aldi nie und nimmer dort sich unter einem Sonder-Baurecht ansiedeln,
das allen anderen verwehrt wird und die Anlieger massiv beeinträchtigt, ja deren
Grundstückswert grob mindert.
Da wird einem Discounter mit rein kommerziellen Interessen der rote Teppich ausgerollt, er
wird als „dem Allgemeinwohl dienend“ hochstilisiert, um ein solches Vorhaben sozialidyllisch
geschönt durchzusetzen und stellt den Aldimarkt auf die gleiche Stufe wie einen Kindergarten
oder ein Krankenhaus. UNFASSBAR
Auch das Folgende wurde bereits als PM veröffentlicht:
Unten Bürger – Oben Grüne Fraktion
Man war sich bei den Grünen nicht zu schade, einen Edelflyer – von Bürgergeld finanziert –
mit Anpreisung für diesen Aldi vor der Kommunalwahl aufzulegen und zu verteilen. Angeblich
eine wichtige Bürgerinformation – keine Werbung. Für wie blöde lassen wir uns eigentlich
noch verkaufen? Warum, wieso das alles? Ist das nun eine von der Koalition festgefahrene
Reise, bei der man sich nicht zugestehen will, einen totalen Irrweg beschritten zu haben?
Die KO.- Frage kommt mir da unvermeidbar.
Hier versuche ich einen fast schon bettelnden Appell an ALLE, dieses undemokratische, für
mich oligarische Unterfangen, aufzugeben
Sie, gehrte Voltanhänger, wurden sie als Steigbügelhalter der Koalition gewählt? Wo sind die
markigen Sprüche über Bürgerbeteiligung und wo sehe ich nicht nur Nachplappern der
Koalitionsmeinung.
Seien Sie bitte nicht weiter stromlinienförmige Koalitions-Vasallen, die von der Aldi-Historie in
Arheilgen samt Baurecht null Ahnung haben.
Verlassen Sie bitte diese abgeschottete Blase eines Koalition-Narzissmus!
Holen Sie sich Ihren Stolz, Ihr Selbstbewusstsein und eine unabhängige Meinungsbildung
zurück. Wenn Sie den kantschen Imperativ als moralische Instanz ernst nehmen, dann
lehnen Sie diese Vorlage ab, nein, eigentlich müssen Sie dann dieses Ansinnen ablehnen.
Dieser Appel geht natürlich auch an CDU und Grün – aber da bin ich mir sicher – vergeblich.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen ein eigenständiges Denken
zurück.
Kommentare:
Als zugeraster Arheilger, verheiratet mit einer Arheilgerin, UWIGA-Mitglied und ehemaliger Stadtverordneter lebe ich seit 1970 in diesem nördlichen Ortsteil von Darmstadt. Ich könnte ein Buch schreiben über die politischen Merkwürdigkeiten, die sich hier zugetragen haben und weiterhin zutragen. Ich will nicht zu weit ausholen, aber wenn ich an die hochgelobte Strassenbahn-Verlängerung denke, die bis heute die für das Jahr 2015 „hochgerechneten“ Nutzerzahlen nicht erreicht und die drei mal so viel gekostet hat wie vorab kalkuliert (€ 42 Mio statt 14 Mio) kommen Zweifel in die Kompetenz unserer städtischen Verwaltung auf. Gewisse Parallelen sind beim Aldie 2 zu erkennen, nur noch dreister. Dieses Projekt soll nun ohne Rücksicht auf Nachbarschaft-schützende Regeln, gestalterische und Umwelt-Anforderungen, am Bedarf vorbei und ohne Bürgerbeteiligung realisiert werden. Mir graust es, wenn ich die weiteren Planungen der Stadt für ein neues Gewerbegebiet und ein neues Strassenbahn-depot zwischen Wixhausen und Arheilgen in den Blick nehme. Die Stadt Darmstadt scheint nach dem nach dem Motto zu handel: „mit den Arheilgern kann man ́s ja machen“.Und wenn dann einer wie Helmut Klett aufsteht, um, mit der ihm eigenen, deutlichen Sprache, derartige Fehlplanungen in der Stavo anzuprangern, verdient das unser aller Respekt. Bleibt zu hoffen, dass UWIGA/WGD ihre kritisch-konstruktive Linie weiterhin verfolgt. wh 15. Feb 2022